aus: Walter Wolf: Faschismus
in der Schweiz. Die Geschichte der Frontenbewegung in der
deutschen Schweiz 1930-1945. Flamberg-Verlag Zürich 1969.
Die
Wandlung der Sozialisten zur demokratischen Partei ab
1933
Ab 1933 erfährt die Sozialistische Partei eine
Machtbeteiligung durch städtische und kantonale
Regierungsübernahmen, und durch die Rolle der
Gewerkschaften. Die Frontisten und die Nazi-Parteien in
Deutschland, die die Sozialistische Partei in Deutschland
aufgelöst und zerschlagen haben und den Namen "sozial"
missbrauchen, werden zu einem abschreckenden Beispiel.
So entwickeln die Sozialisten eine positive Einstellung zur
Demokratie. Um sich vor der braunen Diktatur zu schützen,
sind die Sozialisten 1938 sogar bereit, mit den Bürgerlichen
zusammenzuspannen. Die Bürgerlichen sind ihrerseits auf die
Arbeiterschaft angewiesen, denn ohne Arbeiterschaft kann man
den Faschismus nicht abwehren (S.299).
Schon 1935 wird der Diktaturparagraph aus dem Programm der
Sozialistischen Partei gestrichen (in: Berner Tagwacht
5.3.1934; Volksrecht 4.1.1934; Nation, 2.3.1934; Zürcher
Post, 29.2.1936).
Stalins Machenschaften und Erschiessungen 1936-1938 lassen
den Sozialismus vom Marxismus abkehren. Grosse Wirkung hat
v.a. der Sinowjes-Prozess 1936 (in: Landbote:
6.2.1937) (S.303).
Zum Teil
bleibt der Glaube an Moskau in der Zürcher SP aber noch
erhalten (in: Volksrecht 11.9.1936/6.11.1936) (S.303).
Die Nationale Front kann gegen
die Demokratisierung der Sozialisten nichts unternehmen
Die Reaktion der
Bürgerlichen ist verschieden und abwartend (S.304). Die
Reaktion der Nationalen Front ist sehr trotzig. Sie kann
sich nicht anpassen, denn es beginnt zwischen den
Bürgerlichen und den Sozialisten eine echte
Volksgemeinschaft zu wachsen, ohne dass die Nationale Front
oder andere Fronten daran beteiligt wären. Die "Front"
behauptet sogar, die sozialistischen Führer hätten die
Arbeiterschaft verraten (in: Front, 31.1.1935; 3.5.1934;
18.10.1934; 2.2.1937) (S.305-306).
Am 26./27. Januar 1935 am Parteitag in Luzern bekennt sich
die SP zur militärischen Verteidigung der demokratischen
Rechtsordnung, bleibt aber wegen der Wehrvorlage 1936
zerrissen und zerstritten (S.310-311).
Frühe frontistische
Landesverräter
1936 versucht ein
nationalfrontistischer Korporal die Weiterleitung einer
geheimen Chiffriertabelle an das 3.Reich, wird dabei
erwischt und kassiert 1 1/2 Jahre Zuchthaus. Wegen
politischen Nachrichtendienstes mit Aussagen über
Persönlichkeiten in der Schweiz werden der Kassenwart und
der frühere "Pressechef" des Gaus Bern verurteilt
(S.368).
"Richtlinienbewegung" - erste
Gesamtarbeitsverträge 1937
1936/1937 erfolgt eine
Richtlinienbewegung mit Erarbeitung neuer Richtlinien für
eine neue Politik durch Gewerkschaftsbund,
Angestelltenverbände, durch den Verband evangelischer
Arbeiter und Angestellter und durch die Jungbauernbewegung.
Im Oktober 1936 werden neue "Richtlinien für eine Front der
Arbeit" herausgegeben:
-- vorbehaltlose Anerkennung der Demokratie
-- positive Einstellung zur Landesverteidigung
-- Achtung der religiösen Überzeugung der Volksgenossen
-- Verpflichtung auf ein gemeinsames Programm für den
wirtschaftlichen Wiederaufbau und für die Lösung der
sozialen Probleme (S.317).
Die Parteien werden zur Mitarbeit eingeladen. Der Vorstand
der SP beschliesst am 13.12.1936 den Beitritt zur
Richtlinienbewegung, bestätigt auf dem SP-Parteitag am 31.
Januar 1937. Aber alle anderen Parteien misstrauen der
Richtlinienbewegung und lehnen ab.
Gleichzeitig hat die Richtlinienbewegung aber Wirkung: Der
Freisinn unter Bundesrat Walter Stucki macht
Energien frei und meint, auch die Regierung müsse erweitert
werden, da sich sonst die Politik der dringlichen
Bundesbeschlüsse fortsetze, und eine Erweiterung mit der SP
sei besser als eine solche mit Frontisten. Stuckis
Vorstoss scheitert aber (S.317).
Im selben Jahr werden erste Gesamtarbeitsverträge
abgeschlossen, am 19. Juli 1937 mit einem Friedensabkommen
in der Maschinen- und Metallindustrie, mit Garantie des
Arbeitsfriedens für die Dauer des Vertrags. Die Kommunisten
kommentieren die Gesamtarbeitsverträge, indem sie die SP als
"Schandfleck für die sozialistische Arbeiterschaft"
bezeichnen. Die SP habe die Metallarbeiter den Kapitalisten
ausgeliefert (S.316).