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aus: Walter Wolf: Faschismus in der Schweiz. Die Geschichte der Frontenbewegung in der deutschen Schweiz 1930-1945. Flamberg-Verlag Zürich 1969.
Der erste Niedergang der Nationalen Front 1935
findet in der ganzen Schweiz statt ausser im Kanton Schaffhausen (S.327-330). An den Kantonsratswahlen im Kanton Aargau am 14. März 1937 bekommt die Nationale Front noch 1 Mandat.
Nach der verlorenen Abstimmung gegen die Freimaurerei vom 28. November 1937 und als bekannt wird, dass Geld- und Propagandamittel z.T. aus dem Ausland kommen, sind alle Chancen für die Nationale Front begraben. Ab diesem Zeitpunkt stösst die Nationale Front nur noch auf wuchtige Ablehnung, auch in ehemals frontistischen Kantonen.
Am 23. Januar 1938 tritt Henne als Landesführer wegen Erfolglosigkeit ab. An den stadtzürcherischen Wahlen vom 20. März 1938 fällt die Nationale Front überall unter 5 % und bekommt kein Mandat mehr. Die Front macht offiziell politisch ihren Abgang (S.331-336).
Reaktion der Front nach den Niederlagen 1935: Anlehnung an das Ausland
Verbundenheit gegen den Kommunismus mit den nazistischen Parteien Deutschlands und anderer Staaten:
-- in Frankreich: Action Française, Croix de Feu
-- in GB: Schwarzhemden von Mosley
-- in Rumänien: Eiserne Garde von Codreanu
-- in der CSSR: Sudetenpartei
-- in Holland: Nationaal-Socialistische Beweging von Mussert
-- in Norwegen: Nasjonal Samling von Quisling (S.246-247).
Die Front behauptet: "Das Programm Quislings ist das unsrige." (in: Front, 27.6.1936).
Gründung einer nationalsozialistischen Internationalen - Henne will in die Achse D-It.
Gründung einer "Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Nationalisten", erste Tagung 5.-7.12.1934, im Juli 1935 Tagung in London, 24.-29.10.1935 Tagung in Oslo. In Oslo appelliert Henne an den Einbezug der Schweiz in die Achse Deutschland-Italien (S.248).
Nationale Front: Übernahme des "römischen Grusses" mit "Harus!"
In Italien wird mit "Anoi!", in Deutschland mit "Heil Hitler!" gegrüsst. Der neue Harus-Gruss ist gemäss Walter Wolf die Nachäffung fremder Sitten und kann keine "nationale Erneuerung" mehr sein (S.249).
Nationale Front: Übernahme des Führerkultes
auch innerhalb der Partei: Begrüssung mit "Mein Führer" und Militärstellungen etc., totaler Bewilligungszwang etc. Wechsel des Gauleiters im Kanton Zürich. Gauleiter Brandenberger etabliert den totalen Zentralismus der Partei (S.250-253).
Nationale Front: Kritiklose Übernahme der Propaganda des 3. Reichs
Volksrecht 4.4.1936:
"Herr Dr. Rolf Henne ist verliebt in Adolf Hitler. Deshalb wird er völlig blind für das, was andere, die nicht blind sind, klar sehen: Hitler ist der europäische Staatsmann des Krieges." (S.257)
Die Nationale Front 1933-1938
-- setzt sich für die Revision des Vertrages von Versailles ein (in: Grenzbote, 1.7.1933, 30.12.1933)
-- ist für den Austritt der Schweiz aus dem Völkerbund
-- macht ein Freudengeheul nach der Saar-Abstimmung (S.258-259)
-- befürwortet am 16.3.1935 die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland (S.259)
-- äussert einen grenzenlosen Jubel nach dem Österreich-Anschluss im März 1938 (S.260-261)
-- preist im Oktober 1938 die "Befreiung" der Sudetendeutschen gegen die tschechische Freimaurerregierung (S.262).
Reaktion:
Nun wenden sich auch die Katholiken in Schaffhausen von der Nationalen Front ab (S.262).
1937
Marsch auf Bern, Kundgebung vor dem Bundeshaus 1937
Ein gewisser Herr Henne beschwört eine Achse:
April 1939
Nach der deutschen Besetzung der Rest-Tschechei im März 1939 behauptet die Front, "grosse Fische" würden eben "kleine Fische" fressen (in: Front 1.4.1939) und Prag wird als "Brutstätte des Bolschewismus und des Judentums" bezeichnet (S.264). Die Front erwähnt nicht nur die Verfolgung deutscher Minderheiten in Polen, sondern verteidigt auch den Hitler-Stalin-Pakt (S.265).
Die Judenverfolgung in Deutschland wird von der Nationalen Front in der Schweiz kopiert
Die Nationale Front hat kein Mitleid mit den verfolgten Juden aus Deutschland, sondern inszeniert in der Schweiz neue Judenhetze mit dem Argument, "die Juden" seien selber schuld, seien "ein Volk von Betrügern, Schiebern, Korruptionären, Ausbeutern" etc. (in: Front 195/23.8.1938).
Die Front definiert "Judenverfolgung" als die Antwort auf jüdische Anmassung, als einen elementaren Aufbruch eines "gesunden Volkes" gegen seine "Zerstörer" (in: Front 17.8.1938). Das Ziel sei dabei die Abwehr der Invasion der "Parasiten":
"Das Schweizervolk ist uns zu gut, um auch nur zeitweilig als Parasitenträger zu dienen." (S.265)
(in: Front 198/26.8.1938)
Nationale Front: Die Wertung der Reichskristallnacht
Das Attentat des Juden Grynzspan in Paris vom 7. November 1938 aus Protest gegen die Abschiebung seiner jüdischen Eltern aus Deutschland nach Polen ist Initialzündung für die Reichskristallnacht am 8. November mit Niederbrennen vieler Synagogen in Deutschland und der Zerstörung und Beraubung vieler jüdischer Geschäfte und Vertreibungen in Deutschland. Das deutsche Judentum wird mit einer Solidarbusse von 1 Mia. RM belastet, alle Versicherungsansprüche von jüdischen Geschädigten beschlagnahmt und Juden in KZs deportiert (S.266).
Die Nationale Front behauptet, "die Juden" seien selbst schuld, denn:
"Wo immer ... zum Krieg getrieben wurde, erblickte man den ... internationalen Juden ... Muss sich das Weltjudentum da noch wundern, wenn ihm ... Hass und Ablehnung entgegenschlägt?" (in: Front, 17.11.1938).
In diesem Sinn ist die Gleichschaltung der Nationalen Front mit der Propaganda des 3. Reichs offensichtlich (S.267).
Die Gleichschaltung der Nationalen Front: Die "10 Gebote" der NSDAP, Presse und Geldgeschäfte mit dem Reich
-- Übernahme des Katechismus für NSDAP-Mitglieder "10 Gebote für jeden Nationalsozialisten" als "Les 10 commandements du frontiste" (in: Zürcher Post 183/6.8.1936)
-- z.T. wortgetreues Nachdrucken von Artikeln aus deutschen antisemitischen Zeitschriften, v.a. von Zeitungen, z.B. durch die schweizerischen Frontistenzeitungen "Grenzbote" und "Front" (S.268).
Kommentar in der Schweiz über die schweizerischen NS-Zeitungen: z.B. Thurgauer Zeitung 26.9.1934:
"Der Grenzbote schmuggelt. Er schmuggelt Ware aus dem nationalsozialistischen Lager und achtet nicht darauf, dass es stinkender Käse ist." (S.268)
Das Deutschlandgeschäft der Front
Die Zeitung "Die Front" ist gemäss Walter Wolf die einzige zugelassene schweizer Zeitung im Deutschen Reich . Gleichzeitig vertreibt die Nationale Front deutsche NS-Zeitungen in der Schweiz (S.268).
Auch das NS-Buchgeschäft und NS-Filmgeschäft in der Schweiz läuft über die Nationale Front. Die Nationale Front vertreibt deutsche NS-Bücher wie
-- Mein Kampf
-- Goebbels: Tagebuchblätter "Michael"
-- Rosenberg-Schriften
-- Werke von Gottfried Feder etc. (S.268).
Die Nationale Front organisiert Nazi-Filme in Kinos durch Spezialmiete von Kinos in Zürich und Schaffhausen, z.B. Horst-Wessel-Filme (S.268).
Die Nationale Front greift auch laufend die schweizerische Presse an und behauptet
-- um die Beziehungen nicht zu gefährden, müsse man die antinazistischen Stimmen zum Schweigen bringen (in: Front 25.5.1936, 15.5.1936)
-- am Verbot der schweizer Presse in Deutschland sei die schweizer Presse selbst schuld (in : Front, 10.7.1934)
Damit ist gemäss Walter Wolf wieder ein Beweis erbracht, dass die Nationale Front nicht patriotisch, sondern im Interesse anderer Mächte arbeitet (S.269).
Affäre Berthold Jacob
Die deutsche SS entführt in Basel den im Elsass wohnhaften Berthold Jacob. Gemäss "Front" sei die schweizer Regierung schuld, die den Emigranten in der Schweiz das Wort gegen Deutschland nicht verbiete (S.270).
Der Fall der Gustloff-Ermordung am 4. Februar 1936
Gustloff, Führer der NSDAP Gau Schweiz, wird gemäss Walter Wolf durch einen jugoslawischen Studenten ermordet. Der "Grenzbote" hängt das Attentat den Marxisten an (6.2.1936). Goebbels behauptet, die schweizer Presse habe mit ihrer Hetze den Boden für diesen Mord vorbereitet. Die "Front" macht Propaganda für die Schrift "Der Fall Gustloff" von Wolfgang Dieweger.
In diesem Sinn entsteht nun bei der "Front" ein "Expatriotismus". Sie behauptet,
-- die linke und marxistische Presse verletze die Schweiz und sei nicht neutral
-- die schweizer Presse werde für einen Krieg zwischen Deutschland und der Schweiz verantwortlich sein
-- die schweizer Presse stünde einer Achse Deutschland - Schweiz - Italien im Weg (S.271-273).
Die Nationale Front behält Kontakt zu Stuttgart - der Tod der Nationalen Front
Die Nationale Front ist weiter mit Dr. Hügel in Verbindung und distanziert sich nicht vom Einfluss vom Ausland. Viele Anhänger, die sich von der Nationalen Front abgewendet haben, sind so verhetzt worden, dass ihre Denkart sich nicht ändert, sondern deutsch-denkend bleibt.
Für die Zürcher Kantonsratswahlen am 19. März 1939 findet die Nationale Front nicht einmal mehr genug Kandidaten für die Wahllisten. An den Wahlen bekommt sie kein einziges Mandat mehr (S.337-338).
Nach der deutschen Tschechien-Besetzung im März 1939 erleidet die Front im Sommer 1939 einen erneuten Mitgliederschwund. Die Front kommentiert am 22.7.1939:
"Sechs Jahre dauert nun unser Kampf um die nationale Erneuerung der Schweiz. Er ist härter denn je. Wirtschaftlicher Druck, Existenzverlust, moralische Ächtung haben manchen Kämpfer zu Fall gebracht und viele resignieren lassen. Der "Nazi-Schlotter" liegt lähmend über dem Land, und es ist ein Wagnis, heute die Fahne der nationalen Erneuerung zu halten." (S.337-338).
Für die Nationalratswahlen 1939 hat die Nationale Front keine Kandidaten. Die restlichen Mitglieder hoffen nun auf neue Hitler-Siege. Die Abonnentenzahl der "Front" sinkt von 9000 im Jahr 1934 auf 4900 im Jahr 1937 (S.338). Die eigene Druckerei in Zürich wird am 10. April 1937 aufgegeben. Die Zeitung "Front" wird ab Januar 1940 auf eine Wochenzeitung reduziert (S.339).
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