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Die nationalsozialistisch orientierten Front-Organisationen in der Schweiz 1930-1957

2. Rechts-antidemokratische Stimmung und der "Frontenfrühling" in der Schweiz 1932-1933

Antidemokratismus in der Schweiz - Paul Lang - "Frontenfrühling" und Nazi-Euphorie in der Schweiz nach Hitlers Machtübernahme 1933

von Michael Palomino (1998 / 2005 / 2010)


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aus: Walter Wolf: Faschismus in der Schweiz. Die Geschichte der Frontenbewegung in der deutschen Schweiz 1930-1945. Flamberg-Verlag Zürich 1969.


Nach dem Börsenzusammenbruch von 1929 und der grossen Arbeitslosigkeit, die von den Arbeitgebern extra zugelassen wurde, und durch die linken Programme der Sozialisten und der Kommunisten, die eine "Diktatur des Proletariats" im Programm hatten, und durch die schweizer Justiz, die gegen diese kriminellen Parteiprogramme nichts unternahm, kamen in der Schweiz nun auch immer mehr rechtsgerichtete Strömungen, Bewegungen und "Frontparteien" auf, die meinten, man müsse sich von der Demokratie trennen, um bessere Lebensbedingungen herzustellen. Die entschlossenen, rechtsgerichteten Leute wollten "Front" machen gegen das Chaos, sie wollten keine zweite russische Revolution in der Schweiz haben. Solche rechtsgerichtete Ideen wurden von der Oberschicht in der ganzen Welt vertreten, insbesondere auch deshalb, weil der Kommunismus zum grossen Teil von jüdischen Cliquen geführt wurde und sich damit auch eine pauschale Angst vor Juden verband. Die Bosse liessen die Arbeitslosigkeit steigen und meinten, die Politik würde darauf mit der Abschaffung der Demokratie reagieren. Dies gelang dann vor allem in Deutschland. In der Schweiz gelang das aber nicht, weil die Schweiz mit deutscher Kultur, französischer Kultur und italienischer Kultur nur mit demokratischen Strukturen existieren konnte. Somit blieben die rechten, diktatorischen Bewegungen in der Schweiz immer im Anfangsstadium stecken.


Antidemokratismus in der Schweiz

Paul Lang schildert den Ausgleich zwischen Demokratismus und Aristokratismus - Napoleon brachte den Durchbruch für demokratische Strukturen in Europa

Das Ablehnen der direkten Demokratie durch die rechtsextremen Gruppierungen ging einher mit Appellen gegen Freiheitsrechte, gegen die demokratisch-parlamentarische Demokratie, z.B. in Vortragszyklen von Paul Lang (Schrift: "Tote oder lebendige Schweiz", Zürich 1932). In einem Vergleich zwischen Demokratie und Aristokratie folgerte Lang:

-- alle Bürger haben gleichen Wert, gleiche Fähigkeiten, gleiche Macht, gleiche Souveränität
-- die Bürger haben aber verschiedene Fähigkeiten, verschiedenen Wert und sind in verschiedenen Funktionen
-- die Schweiz strebe den gesunden Ausgleich zwischen Demokratismus und Aristokratismus an

-- im 17./18. Jh. war der Aristokratismus vorherrschend und aus dem Volk kam keine Erneuerung mehr, die Regierungsgewalt erfolgte nur über einige wenige Familien, und dies sei die Entartung zur Oligarchie
-- die Französische Revolution habe den Umbruch gebracht, wo sich die Idee der Demokratie durchgesetzt habe (S.174).

Paul Lang schildert das "historische Pendel" zwischen Demokratie und Aristokratie als "historischer Kontrapunkt"

Lang deutet in seinem Buch den historischen Prozess als ein Pendel und stellt die Theorie auf, dass Demokratie und Aristokratie sich ununterbrochen ablösen würden. Dies sei das Gesetz des "historischen Kontrapunktes". Der Vorgang pendle immer zwischen Organik (Schöpfung, Opfermut, Wirken im Geist) und Mechanik (Routine, Mechanismus, Automatismus, mit ersterbendem Leben und Tod) (S.174).

Paul Lang meint, die Demokratie sei 1932/1933 am Ende und Mussolini und Hitler seien die Träger der Gegenkraft

Lang meinte in der Situation von 1932/1933:
-- das demokratische Prinzip habe sich erschöpft
-- das demokratische Prinzip habe zur Unterdrückung des Einzelnen durch die Masse geführt
-- das demokratische Prinzip habe die Elite vernachlässigt
-- das demokratische Prinzip sei in seiner Endphase von Entartung und Verfall gekennzeichnet (S.175).

Die Gegenbewegung zur Demokratie, so Lang, sei von "Schmiedesohn Mussolini" und dem "Malergesellen Hitler" getragen, mit neuen politischen Ideen und neuen staatlichen Ordnungen: Faschismus, Action Française, Nationalsozialismus. Lang meint, die Dimensionen der Umwälzung würden die Dimensionen der Französischen Revolution oder der Reformation erreichen, ein welthistorischer Prozess, der jahrhundertelange Wirkung haben werde, und an dessen Ende die Überwindung der Irrtümer der Französischen Revolution steht (S.175).

Die Schweiz in der Entwicklung

Lang
meint, die Schweiz könne sich dieser Entwicklung und politischen Bewegung nicht entziehen, denn Europa könne in seinem Zentrum keine erstarrte und entartete "Substanz ertragen" (S.175).

Die Tatsachen waren aber andere:
-- die Schweiz war Freiheitsinsel inmitten eines diktatorisch geführten Europa
-- viele ehemals diktatorische Staaten kehren ab 1945 zur Demokratie zurück
-- Langs Logik ist zu einfach und gewährt der Entwicklung keinen Freiraum
-- Lang unterschätzt die Wirkung und die Vorarbeit des Geistes. Er glaubt, ein paar Jahre frontistische Propaganda genügten, um dem geistig-historisch gewachsenen demokratischen System das Grab zu schaufeln
-- Faschismus und Nationalsozialismus haben mit aristokratischen Idealen wenig gemeinsam, mit nackter, brutaler Gewalt aber viel gemeinsam (S.176)

[-- ohne Demokratie kann die Schweiz gar nicht überleben, also wird Faschismus und Nationalsozialismus in der Schweiz kaum mehrheitsfähig].

Lang verkauft Faschismus und Nationalsozialismus als aristokratisch, obwohl diese totalitär sind. Er entscheidet sich aus Unwissenheit für das totalitäre System und lässt so landesverräterische Elemente aufkeimen (S.176-177) [und durch sein Buch verkaufen - ein gutes Geschäft mit einem politischen Irrtum...].



"Frontenfrühling" und Nazi-Euphorie in der Schweiz nach Hitlers Machtübernahme 1933

Nach der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 kam es in der Schweiz vorübergehend zu einer Nazi-Begeisterung, die allgemein als "Frontenfrühling" bezeichnet wird:

Häufiges Verhaltensmuster der Bevölkerung: zuerst Gutheissung, dann radikale Ablehnung

Die schweizer Bevölkerung hiess die Frontisten wegen ihrem Bekennermut und "vaterländischen" Geist willkommen. Ein paar Wochen später war die grosse Mehrheit der Bevölkerung aber zu grossen Teilen radikal gegen die rechtsradikalen Strömungen eingestellt:

-- gegen den Hitlerwahn / Führerkult / Endsiegglaube
-- gegen Antiliberalismus
-- gegen Antidemokratismus
-- gegen die Judenhetze und gegen das Verbot der Einbürgerung von Juden und gegen einen Numerus Clausus
-- gegen Hakenkreuzler.

Die grosse Mehrheit der Bevölkerung der Schweiz hatte nicht im Sinn, sich von Deutschland regieren zu lassen und die Demokratie abzubauen. Bei einer Rassen- und Stammesgemeinschaft wäre die Existenz der Schweiz auch gefährdet gewesen wegen der Mehrsprachigkeit (S.120-147).

Die Katholen-Führer plädieren für Hitler - die katholischen Gläubigen bleiben demokratisch

Die Führer der katholischen Kirche griffen nun den Liberalismus an und plädierten für den Frontismus. Die katholische Bevölkerung wandte sich gegen den Frontismus und blieb bei der Demokratie.

Die schweizer Protestanten wollen keine autoritären Strukturen

Die Führer der protestantischen Kirche waren vorsichtig bei der Übernahme anderer, autoritärer Strukturen und warnten, man solle sich ja nicht selbst aufgeben.

Max Huber mahnte, eine "Erneuerung" erfordere Selbstbesinnung, und man solle ja keine Freiheiten aufgeben.

Max Huber
                  [1], Jurist und Diplomat, später beim IKRK tätig,
                  mahnte im Frühling 1933, man solle keine Freiheiten
                  aufgeben
Max Huber [1], Jurist und Diplomat, später beim IKRK tätig, mahnte im Frühling 1933, man solle keine Freiheiten aufgeben


Die schweizer Zeitungen mahnen zur Vorsicht und nennen die Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland

Zeitungsstimmen in der Schweiz mahnten zur Vorsicht gegenüber dem deutschen Nazi-Einheitsstaat und dem "Dritten Reich":

-- deutsche Verhältnisse seien nicht auf die Schweiz übertragbar
-- Deutschland sei kaum an Demokratie gewöhnt, denn dort sei Demokratie erst seit 1919 eingeführt gewesen, die Schweiz dagegen habe eine lange, demokratische Tradition und viel Erfahrung
-- Deutschland sei ein traditioneller, preussisch-deutscher Autoritätsstaat, der jetzt unter Hitler wieder zum Vorschein gekommen sei
-- die Schweiz sei aus der Demokratie entstanden und solle an der überlieferten Staatsform festhalten
-- in Deutschland verkörpere Bismarck den Rechtsstaat, Hitler aber den Unrechtsstaat, so Albert Oeri (Chefredaktor der Basler Nachrichten [1])
-- für die Schweiz gäbe es kein geheimnisvolles Schicksal und keine Schicksalsergebenheit, sondern die Schweiz brauche befreiende Taten (Ludwig Rittmeyer) (S.179-183).

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Quellen
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Oeri-Hoffmann

Fotoquellen
[1] Max Huber, Portrait: http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Huber_(Diplomat)

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