Inhalt
Dimitri, clown!
Lebensbericht mit Zitaten
aus: Maike van Schwamen
für die Monatszeitschrift "ARTE Magazin": Dimitri, clown!
in: arte-tv, 9.3.2005; http://www.arte-tv.com/fr/art-musique/special-cirque/723116,CmC=724062.html;
Übersetzung
von Michael Palomino
Die Clowns? Die findet man
offensichtlich im Zirkus - und manchmal auch woanders,
wenn man genau hinsieht. Nach drei Saisons mit dem Zirkus Knie war
Dimitri wieder am Theater interessiert, für das er immer
noch eine Leidenschaft besitzt. Wir konnten Dimitri in Basel kennenlernen.
Und da war er: Ein kleinerer gut gekleideter Mann kommt
die Tür herein und berichtet der Serviererin, dass er ein
Rendez-Vous mit einer Journalistin habe. Mit seiner
Riemen-Aktentasche könnte man ihn auch für einen Professor
halten. Er dreht sich um, sieht mich und kommt mit einem
freundlichen, fast scheuen Lächeln auf mich zu. Sein
Händedruck ist sanft, aber nicht ohne Kraft, angenehm.
Dimitri, damit verbunden ist auch eine Art Beatles-Frisur, vorher
braun, jetzt eher schon etwas grau geworden. Aber dies ist
der einzige Wechsel, der in seiner langen Karriere
stattgefunden hat. Er kommt aus dem Tessin, aber seit
langem ist er auch über die Grenzen des Bundesstaates weit
bekannt; der grosse kleine Clown aus Ascona hat das
Publikum schon in Paris, New York und in Tokio begeistert;
und auch in Australien, in Südamerika und in China wollte
man ihn sehen; unter dem Patronat des Zirkus Knie, des Big Apple Circus
New York und
vielen anderen, aber vor allem auch als Alleinunterhalter.
Effekte, die jeder auf der Welt versteht:
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Dimitri:
Szene
mit Mini-Trompete
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Dimitri:
Szene
mit Mini-Akkordeon
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Neben mir redet und redet er, manchmal innehaltend "um ein
bisschen zu überlegen, um gute Antworten zu finden". Ist
er ein Mensch, der die Zusammenhänge erkennt? "Ja, das ist
wahr". Dimitri hat es ja gar nicht gern, mit dem immer
wieder aufkommenden Klischee des traurigen Clowns
verbunden zu werden - und seine Arbeit hindert ihn nicht
daran, sich mit den grossen aktuellen Problemen zu
beschäftigen: "Man kann sein Leben nicht nur damit
verbringen, indem man lacht oder Witze macht". Sehr bald
hatte er gemerkt, dass ihm eine weitere Aufgabe zukomme
als nur "eine junge und charmante Frau zum Lachen zu
bringen".
Dimitri ist mit Haut und Haar Clown, von ganzer Seele. Er
war es immer und wird es immer sein. Übrigens gibt es
keinen anderen Weg: "Ein Clown zu sein ist eine riesige
Aufgabe, das kann man nicht als Halbtagsjob erledigen". Es
erstaunt ihn nicht, dass sich immer weniger Leute mit
Clownerie beschäftigen - jedoch ist es immer wieder eine
Freude für ihn, wenn der eine oder andere Schüler seiner
Schule in Verscio
(Hochschule für Bewegungstheater, gegründet 1975 im Tessin) sich der
Karriere widmen!
[Dimitris Drang zur
Clownerie ab 7 Jahren - Pantomime bei Marcel Marceau -
Zirkus Knie]
Dimitri hat mit 7 Jahren erkannt, dass die Clownerie ein
Beruf werden könnte. Seine Begeisterung war grenzenlos. Es
ergab sich ein Weg für ihn, und dem ist er gefolgt, zuerst
etwas zufällig mit dem Töpferberuf; mit dem Geld, das er
durch Töpferei verdiente, hat er Kurse besucht: Ballet,
Akrobatik, Theater, Musik und Tanz. Im Jahr 1954 trifft er
in Paris den
Pantomimen Marcel
Marceau und wird sein Schüler, dann 1958 Mitglied
seiner Gruppe.
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Marcel
Marceau,
geb. 1923, eröffnende Geste
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Marcel
Marceau
mit Rose: "Träumen ist stille Handlung."
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Marcel Marceau war
immer sein Idol, "und ich hatte mir gesagt, dasselbe wie
er zu tun, aber eben als Clown: Ich wollte alle möglichen
Clownerien in Szene setzen". Am Ende der 1950-er Jahre kam
Dimitri dann ins Tessin zurück und spielte fortan allein
auf der Bühne.
Bescheiden, aber nicht ohne einen gewissen Stolz,
versichert Dimitri dass er der einzige Clown ist, der im
Zirkus eine Theaterausbildung hat. Dies ist ab 1970 der
Fall. Fredy Knie Senior,
damaliger Direktor des schweizer Nationalzirkus mit
demselben Namen, sieht den Clown in Aktion und
beschliesst: Er will ihn unter seiner Kuppel haben.
Fredy Knie
senior
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Zirkus Knie: Signet / Logo
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[Die Karriere der Kinder - Schriftstellerfreunde
Grass und Frisch, Vorbild Miller]
Dimitri verbringt beim Zirkus Knie drei Spielzeiten,
zweimal in Begleitung seiner Frau Gunda und mit vier
seiner Kinder. "Der Zirkus ist eine Künstlerwelt mit etwas
bürgerlichem Element: Ein Zirkus ist ein eigenes Dorf, ein
wanderndes Dorf". Dimitri kann sich mit seinen
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Charango: eine
10-saitige Gitarre aus Nord-Argentinien und
Bolivien
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Kindern ganz zu Hause fühlen; und
sie bekommen denselben Virus mit auf den Weg. David und Masha absolvieren die
Artistikschule in Budapest,
sind unter verschiedenen Zirkuskuppeln präsent und machen
ihre Tourneen um die ganze Welt. Danach folgen sie dem
Vater mit einem Weg ins Innere, sie verlassen die Manegen
und spielen hauptsächlich in Theatern. Nina, die Jüngste,
singt Volkslieder und spielt virtuos Gitarre und Charango.
Aber Dimitri hat auch noch andere künstlerische Ideen, die
ihm gefallen: Er malt, er liest, er besucht Museen und
liest Bücher von Schriftstellerfreunden wie Günter Grass und Max Frisch. "Ich
ernähre mich von Kunst, ich erfreue mich daran, wie wenn
es Nektar wäre", sagt er. Dimitri, der in jungen Jahren
den Salto rückwärts beherrschte und auf dem Seil tanzte,
und der sich heute noch mit 70 Jahren auf Elefanten
getraut, ist nicht nur ein Unterhaltungskünstler: Er ist
ein Poet. Dabei zitiert er gerne Henry Miller: "Der Clown ist ein handelnder
Dichter."
Auf der Bühne lässt Dimitri die Grenzen zwischen Zirkus
und Theater verschwinden. Der Clown, der fröhlich und
traurig ist, der stolpert und sich nacheinander einige
Zähne ausschlägt, beherrscht gleichzeitig die subtile
Sprache der Komik. Seine "Nonna", die nichts anderes als
die ursprüngliche Grossmutter aller Komödianten ist, in
Rüschen eingewickelt, bezaubert sein Publikum heute noch,
wie wenn er 20 Jahre alt wäre.
[Der Film "Dimitri - Clown"]
Dimitri hat ein solch reiches Leben erlebt, dass er in
einigen Stunden gar nicht alles erzählen kann, noch
weniger in 80 Minuten. Aber
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Schweizer
Dokumentarfilmer Friedrich Kappeler,
Portrait
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dies erfordert die Bandlänge. So
lange ist der Dokumentarfilm mit der Unterschrift von Friedrich Kappeler,
der in die schweizerischen Kinos kommt. Seit der Premiere
von "Dimitri - Clown"
in Zürich aber ist Dimitri etwas frustriert, versichert
er, denn es hätte noch so vieles zu erzählen gegeben...
So aber kann er noch davon träumen, seinen eigenen Film zu
drehen, ein tragikomisches Werk, poetisch, über einen
Bahnhofsvorstand - einen Stummfilm, und womöglich
schwarz-weiss.
[Die Szene handelt von einer stillgelegten Bahnlinie
im Tessin und einem leeren Bahnhof mit einem verlorenen
Bahnhofsvorsteher].
"Also, ich habe meinem
Produzenten gesagt: Du siehst, Kaurismäki kommt her, macht einen
Stummfilm und hat einen Riesenerfolg damit, denk mal ein
bisschen darüber nach."
Der Film "Dimitri - Clown": Dimitri, Familie,
Elefanten, und ein Filmtraum
Film von Friedrich Kappeler - mit Dimitri; Schweiz 2004, 80
Min., Dialekt, K/8, Dokumentarfilm, Kinostart: 11.11.2004; aus:
http://www.riffraff.ch/index.html?/Programm/Filme/Film0370.html
In seinem ersten Film nach dem Publikumsrenner MANI MATTER -
WARUM SYT DIR SO TRUURIG? vermittelt uns der Schweizer
Regisseur Friedrich
Kappeler
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Dimitri mit Frau Gunda
und 5 Kindern
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einen Einblick in das poetische Universum des Menschen
Dimitri. DIMITRI - CLOWN erzählt uns Dimitris Geschichte und
seine Geschichten, zeigt uns, wie Dimitri lebt, lässt uns
teilhaben an seinem Werdegang und Schaffen, an seinen
Vorbildern, an seinen Gedanken, an seiner Musikalität, an
seiner Vorstellung von Poesie und vom Zirkus als
Gesamtkunstwerk. Dabei erweist sich Dimitri immer wieder als
wacher Zeitgenosse.
Ganz wichtig für Dimitri ist seine Familie, seine Frau Gunda und die fünf
Kinder. Was die Kinder machen, wie sie ihre Jugend erlebt
und welches Verhältnis sie heute zu ihren Eltern haben, ist
ebenso eine Geschichte in diesem Film, wie Dimitris
leidenschaftliche Beziehung zu den Elefanten.
Und dann bleibt da noch dieser eine grosse Traum von
Dimitri: der Traum vom Kino, wie ihn sein Vorbild Chaplin gelebt hat.
Deshalb begegnen wir in DIMITRI - CLOWN nicht nur einem
Engel und einem Teufel, die Dimitris Antlitz tragen, sondern
auch einem tragisch-komischen Bahnhofsvorstand, der auf
verlorenem Posten zu einer Art Filmclown wird.
Dimitri: Mit 70 Jahren weiter aktiv und ideenreich
aus: SwissInfo: Dimitri feiert seinen 70. Geburtstag und 35
Jahre für sein Theater; orig.: Dimitri fête ses 70 ans et
les 35 ans de son théâtre, 17.9.2005; aus:
http://www.swissinfo.org/sfr/swissinfo.html?
siteSect=105&sid=6094619; Übersetzung von Michael
Palomino
Am 18. September feiert Dimitri seinen 70. Geburtstag. Der
berühmte "traurige Clown" wird dann zum Ehrenbürger der T
Dimitri mit der Gitarre als "trauriger
Clown" / "clown triste"
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essiner Ortschaft Verscio,
wo sein Theater, seine Schule und wo das Dimitri-Museum "Museo Comico" steht. Es
sind drei Festtage vorgesehen.
Dimitri wurde unter dem eigentlichen Namen Dimitri Jakob Müller am
18. September 1935 in Ascona
(TI) in eine Deutschschweizer Künstler-Familie
hineingeboren. Sein Vater ist Bildhauer, seine Mutter macht
Stoffplastiken. Dimitri weiss schon mit sieben Jahren, dass
er eines Tages die Leute zum Lachen bringen will. Sein
offizieller Name ist aber schon seit Jahren Jakob Dimitri.
Am Anfang der 70-er Jahre richtet er sich mit seiner Frau Gunda in der Ortschaft
Verscio ein. Das Paar hat fünf Kinder. Drei davon, David, Masha und Nina,
machen eine künstlerische Karriere. Mathias ist Designer
und Ivan arbeitet
für das Rote Kreuz.
Mit 70 Jahren kann der tessiner Clown gleichzeitig auch
weitere Jubiläen feiern: 35 Jahre für sein Theater, 30 Jahre
für seine Schule, und 5 Jahre für sein "Museo Comico"
(Komik-Museum).
[Samuel Becket: "Das letzte Band"]
Vor 40 Jahren hat der schweizer Schriftsteller
Max Frisch
geschrieben, dass Dimitri ein "bedeutender Clown" sei.
Ein Zitat von Max Frisch:
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Max Frisch Portrait |
"Schaut ihn an, sage ich, das ist ein wirklicher Clown.
Was ist ein wirklicher Clown? Das weiss ich nicht, aber
schaut ihn an: Er kann schon allerhand und immer noch
etwas mehr, und dann ist er selig, wenn ihm noch mehr
gelingt, sogar das Unglaubliche. Man freut sich wie mit
einem Kind, das die Tücke aller Dinge entdeckt und wie
durch ein Wunder nicht strauchelt. Ich bin in jedem
Augenblick gespannt, aber dann hat immer jemand gelacht,
als wäre er allein, nicht wie man über einen Witz lacht,
sondern gelacht vor Freude wie ein Kind; das war ich und
der Clown heisst Dimitri."
(aus:
http://www.riffraff.ch/index.html?/Programm/Filme/Film0370.html)
Trotz seines Alters leidet der Ruf Dimitris nicht. Seine
Fähigkeiten zeigt er unter anderem auf der Bühne im Stück
von
Samuel Beckett
"
Das letzte Band".
Die Premiere war bereits am 6. Juli in Verscio.
"Ich bin glücklich, dass ich mit 70 Jahren noch spielen
kann, dass ich mich noch auf der Bühne zeigen kann",
erzählt Dimitri beim Essen. Als "Krapp" in "Das letzte
Band" reizt ihn das Clowneske, das tragikomische dieser
Rolle.
Zahlreiche Pläne
Derjenige, der Schüler von
Marcel Marceau war, der grösste Mime der
Welt, der ihn übrigens besucht hat, der wird im November
vor allem in Zürich und Basel Auftritte haben, und auch in
Deutschland wird man Plakate sehen.
Der Heimathafen von Dimitri bleibt aber immer Verscio, ein
982-Seelen-Dorf bei Locarno, dessen Name bei den
Theater-Amateuren der Schweiz und Europas bekannt geworden
ist. Dort haben der Clown und seine Frau 1970 ihr Theater
gegründet, 1975 ihre Schule, 1978 ihre Compagnia, und im
Jahr 2000 ihr
Museo
Comico.
Dimitri und Gunda
"Ich habe mein Werk fast vollendet", sagt Dimitri, "aber
ich habe immer wieder neue Ideen!" Pläne sind im Kopf des
Clowns reichlich vorhanden, wobei die Frisur des Clowns
oft mit derjenigen von Aussenministerin
Micheline Calmy-Rey
verglichen wird. Der 70-er möchte noch einen
"komisch-poetischen" Film und einen Narrenpark
realisieren. Mehr sagt er nicht.
Ähnlichkeiten?
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Dimitri-Portrait
mit Lächeln
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Micheline Calmy-Rey,
Bundesrätin und Aussenministerin der Schweiz
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Von Natur aus menschlich
Während des Gesprächs denkt er an eine Nummer: Er würde so
tun, als ob er eingeschlafen sei und die Welt verlassen
hätte, um gute Werke zu tun. Einfach so. Die Zuschauer
würden den Saal verlassen und denken, "er sei wirklich
gestorben", und alle machen Witze.
Hinter seiner Maske als Clown steckt ein von Natur aus
menschlicher Mensch, der sich oft mit der Idee des Todes
beschäftigt, und der an die Reinkarnation glaubt. Im
sozialen Engagement hat sich dieser Mann immer auf die Seite
der weniger Betuchten gestellt, auf die Seite der
Asylbewerber und der Obdachlosen.
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Dimitri im Interview: Kosmopolit, das Lächeln,
Pazifist und Helfer
aus: SwissInfo: Dimitri: Das
Lächeln als Talent, 2004 zum Film "Dimitri - Clown"; http://www.swissinfo.org/sfr/swissinfo.html?siteSect=105&sid=5419747;
Zwischentitel
zur Orientierung in [eckigen Klammern] von Michael
Palomino
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Dimitri mit Gitarre ein Lied spielend
unmaskiert
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Dimitri als Mime, Dimitri als Clown. Eine Begegnung, um
das neue Jahr mit einem Lächeln zu begegnen. Swissinfo
traf den Künstler in
Verscio
bei
Locarno
anlässlich der Vorstellung der italienischen Ausgabe
seiner Autobiografie.
[Dimitri im Teatrino - sein Lebensgefühl als Kosmopolit
und seine immer verständliche Kunst]
Mit seinem roten Schal und seiner Gitarre erscheint
Dimitri und empfängt uns im Teatrino - kurz vor der
Präsentation der italienischen Ausgabe seiner
Autobiografie, vor dem Verkauf ans Publikum.
swissinfo: Man spricht häufig von Ihnen als
einem Deutschschweizer Künstler, der ins Tessin
übersiedelt ist. Wie fühlen Sie sich dabei?
Dimitri: Ich fühle mich als Kosmopolit und
bin deshalb nicht an eine besondere Sprache gebunden.
Geboren bin ich in Ascona, meine Vorfahren stammen aus
Russland und der Schweiz, und ich spreche Deutsch und
Italienisch. Ich fühle mich international.
swissinfo: Wie positionieren Sie sich, als
Mensch und als Künstler, zwischen den nationalen Kulturen?
Dimitri: Szene mit dem Liegestuhl.
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D.: Meine Kunst beruht auf einer nichtverbalen
Ausdrucksweise, auf einer Körpersprache, der Komik und
Musik, also auf einer Art Universalsprache. Diese wird an
allen Ecken und Enden der Welt verstanden. So fühle ich
mich nicht mit einer bestimmten Kultur verbunden. Ich
fühle mich als Weltbürger.
swissinfo: Der Zirkus Knie hat Sie berühmt
gemacht. Fühlen Sie sich deshalb in seiner Schuld? Obwohl
Sie in Ihrem Buch schreiben, dass das Zirkuspublikum nie
ins Theater kommen würde?
D.: Was diesen Aspekt betrifft, sollen von
Beginn weg keine Zweideutigkeiten aufkommen. Das
Zirkuspublikum ist sehr wohl auch im Theater willkommen.
Doch oft handelt es sich um ein Publikum, das weniger an
intellektuellen Inhalten interessiert ist, sondern mehr
Freude an volksnahem Spektakel hat. Dank meinen drei
Saisons beim Zirkus Knie konnte ich mich bei einem
grösseren Publikum bekannt machen, und damit die Leute in
mein Theater locken.
[Das Lächeln und die
Lebensfreude auf der Erde]
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Dimitri-Portrait mit Lächeln in seiner
Autobiographie.
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swissinfo: Ihr
Lächeln ist Ihr Aushängeschild. Wie entstand es, und wie
konnten Sie sich damit bekannt machen?
D.: Ich kann nicht sagen, wie mein Lächeln
entstanden ist. Es mag ein Geschenk der Götter sein, der
Natur oder meiner Mutter. Das Talent dazu hat mir wohl das
Schicksal geschenkt. Doch das genügt nicht. Man muss es
entwickeln und am Leben erhalten. Man muss es ausnützen,
pflegen und auf eine positive Art auch nutzen.
swissinfo: Was glauben Sie, wird in der
Schweiz genügend gelacht?
D.: Ja. Ich glaube wirklich, dass das Publikum immer zum
Lachen aufgelegt ist, einfach weil es das liebt. Ich glaube
auch, dass das auf der ganzen Welt ähnlich ist. Die Leute
lachen einfach gern. Doch wenn wir beispielsweise die
Schweiz mit einem Land in Südamerika vergleichen, sehen wir,
dass die Südamerikaner trotz ihrer Armut und den ungleich
schwierigeren Lebensbedingungen viel mehr lachen als die
Schweizer. Sie haben eine Fröhlichkeit, die wir Schweizer,
obschon es uns besser geht, nicht kennen.
swissinfo: Welchen Platz nehmen die Liebe
und der Humor in Ihrem Leben ein?
D.: Laut meiner Einschätzung gehören Humor
und Liebe zusammen. Wenn es nämlich in der Komik, im Gag,
keine Zuneigung für den anderen gibt, funktioniert das
ganze nicht. Oder es funktioniert zwar, aber der Effekt
ist ein anderes Lachen, ein böses, sarkastisches, fast
schon teuflisches... Ich übertreibe jetzt etwas, aber so
was gibt es jedenfalls auch. Man muss, finde ich, immer
mit dem Herzen lachen. Ich möchte das Herz und den Geist
der Leute treffen. Aus ihrer Stimme soll ein reines
Lächeln oder Lachen kommen. Wie jenes der Kinder,
unschuldig und wohlwollend.
[Mime und Wort - Marcel
Marceau]
swissinfo: Sie sind ja auch ein grosser Mime. Welche
Beziehung hat ein Mime zu Worten?
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Pantomime von Marcel Marceau,
erschrockene Geste. |
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D.: Man sagt ja, dass Mimen, wenn sie einmal zu sprechen
begonnen haben, nicht mehr aufhören... Ungefähr so wie ich
das im Moment mit Ihnen mache. Doch Spass beiseite. Mein
grosser Meister
Marcel
Marceau hatte mir beigebracht, dass durch die
Mimik gewisse Szenen und Ausdrucksweisen viel intensiver,
stärker, eindrucksvoller und ergreifender wirken. Er hatte
mir immer gesagt, dass die grossen Gefühle des
menschlichen Wesens besser wortlos ausgedrückt werden. Das
gilt für die Liebe, den Hass, den Schmerz und die Freude.
[Dimitri: Pazifist und
Helfer für die Schwachen]
swissinfo: Was ärgert Sie? Auch im Bereich der Gefühle und
des Verhaltens?
D.: Schlecht ertrage ich Hass,
Aggressivität, Heuchelei, Krieg, die Absenz von Dialog und
von Verständnis. Auch das Fehlen von Respekt und von
Toleranz gegenüber Leuten, die anders sind als wir,
ertrage ich nicht.
swissinfo: Sie waren immer ein aktiver
Mensch, ein unersetzlicher Weggefährte von Kaplan Cornelius Koch, ein
Fürsprecher von Flüchtlingen und Benachteiligten. Wie
schätzen Sie heute die humanitäre Politik der Schweiz ein?
D.: Die unnützen Kriege, die unsere Welt
überziehen, machen mich sehr traurig. Sie treffen mich
persönlich, und zeigen sich am Schicksal der Frauen,
Männer, Kinder und ganzer Völkerschaften. Deshalb möchte
ich als Künstler einen kleinen Beitrag leisten, indem ich
Petitionen, Proteste und Manifeste unterschreibe, und
öffentlich für etwas einstehe. Deshalb habe ich auch
Cornelius Koch, dem Kaplan der Flüchtlinge, geholfen, wie
ich konnte.
Dimitri-Plakat gegen Ausgrenzung von Behinderten
zur Abstimmung 2003.
Text:
"Volksabstimmung am 18. Mai 2003. Dimitri ist
Clown und Künstler. Und [er] entdeckt immer
wieder künstliche Hindernisse - auch für nicht
Behinderte. JA zum freien Zugang zur
Behinderten-Initiative."
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[Friedensarbeit: "Das
Meer besteht aus lauter Tropfen"]
swissinfo: Wie schätzen Sie die Rolle und den Einsatz der
Intellektuellen für die Zivilgesellschaft in diesem Land
ein?
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Ein Tropfen Frieden
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D.: Ich finde, Künstler und Intellektuelle in der Schweiz
sind genügend aktiv. Sicher wirkt ihre Stimme nur wie ein
Tropfen, der ins Meer fällt.
Doch das Meer besteht aus lauter Tropfen.
Zum Beispiel denke ich an die Genfer Initiative. Sie setzt
sich über die Zivilgesellschaft für die Wiederaufnahme des
Friedensprozesses zwischen Israelis und Palästinensern
ein. Ein Projekt, das von Bundesrätin
Micheline Calmy-Rey
gefördert wird.
swissinfo: Sie haben Calmy-Rey erwähnt.
Viele Leute sehen im Lächeln von euch beiden etwas
Gemeinsames...
D.: Ja, das stimmt. Es bestehen leichte
Ähnlichkeiten. Nicht nur in der Art des Lächelns, auch in
der Frisur. Als wir uns am Filmfestival in Locarno trafen,
haben wir uns bestens unterhalten und darüber hinaus auch
bestens verstanden.
swissinfo, Françoise Gehring
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)
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19.9.2010: Dimitri wird 75
aus: Basler Zeitung online: "Ich bin einfach ein
Glückspilz"; 19.9.2010;
http://bazonline.ch/kultur/theater/Ich-bin-einfach-ein-Glueckspilz-/story/26170111
<Von Gerhard Lob.
Dimitri, der bekannteste Schweizer
Clown, denkt noch lange nicht ans Aufhören – auch nicht
an seinem 75. Geburtstag.
Gut gelaunt: Dimitri bei seinem Auftritt an der Expo.02.
Das Lachen ist sein Beruf – oder besser gesagt, seine
Berufung. Dimitri denkt auch mit 75 Jahren nicht ans
Aufhören. Ruhestand oder Pension? Nein danke! «Solange
ich Freude an meiner Arbeit habe und das Publikum mich
sehen will, trete ich auf», sagt der bekannteste
Schweizer Clown, der am 18. September 1935 unter dem
Namen Dimitri Jakob Müller in Ascona geboren wurde.
[Sturz mit Wirbelbruch
gut überstanden]
Natürlich muss auch die Gesundheit mitspielen. Im
Frühjahr stürzte Dimitri auf der Bühne, brach sich einen
Wirbel. Drei Monate lang musste er ein Korsett tragen
und zur Genesung in die Reha-Klinik. «Aber ich musste
nicht operiert werden, kam an einer Lähmung vorbei. Ich
glaube einfach, ich bin ein Glückspilz», sagt er mit
seinem typisch breiten und verschmitzten Lachen.
80-mal pro Jahr auf der Bühne
Seit 50 Jahren steht Dimitri auf der Bühne; etliche
Preise hat er eingeheimst. Auch heute betritt er noch
80-mal im Jahr die Bühne, zuletzt häufig im Spektakel
«Die Familie Dimitri», bei der drei seiner Kinder, die
ebenfalls Künstler geworden sind, sowie ein
Schwiegersohn mit von der Partie sind. Verheiratet ist
Dimitri seit 1961 mit Gunda, die als treibende Kraft
hinter seinem Erfolg gilt und stets im Hintergrund
agiert. Fünf Kinder hat das Paar, das seit Ewigkeiten im
Centovalli lebt, grossgezogen.
Dimitris berufliches Lebenswerk indes steht in Verscio.
Das Theater, das 40 Jahre alt wird, die Theaterschule,
die 35-jähriges Jubiläum feiert und jüngst als «Schule
für Bewegungstheater» ein Teil der Fachhochschule der
italienischen Schweiz wurde, und schliesslich das
Clown-Museum, das der legendäre Ausstellungsmacher
Harald Szeemann entworfen hat.
Kein Problem mit dem Älterwerden - [eine geschenkte
Villa wird zum Skulpturen-Clownpark und zum
Forschungszentrum für Humor und Komik - und ein
Restaurant mit "gesunder Küche"]
Doch damit nicht genug. «Nun feiern wir auch das
Null-Jahr-Jubiläum des neuen Skulpturen-Clownparks»,
freut sich Dimitri. Tatsächlich: Dank der Schenkung
einer benachbarten Villa mit viel Umschwung konnte das
Dimitri-Anwesen in Verscio enorm vergrössert werden.
Bundesrat Ueli Maurer weihte den Park am Samstag
offiziell ein.
Auch für die Nutzung der Villa gibt es Ideen: Ein
Forschungszentrum zum Thema Humor und Komik soll hier
entstehen, Aktivitäten für Kinder und ein Zentrum für
Volksmusik aus aller Welt sind geplant. Last but not
least: ein Restaurant, das eine gesunde Küche
propagieren soll. Die Einladung von Starkoch Pietro
Leemann für die Feierlichkeiten von diesem Wochenende
gibt in dieser Hinsicht den Takt vor.
75 Jahre? Kein Problem. Mit dem Älterwerden kommt
Dimitri gut klar. «Ich habe mich schon früh mit Themen
wie Tod, Krankheit und Abschied nehmen
auseinandergesetzt», meint er. Selbst für den Fall einer
Lähmung hatte er schon Projekte gemacht – er hätte sich
mehr auf Malerei und Musik konzentriert. Doch nun steht
die Clownerie noch im Mittelpunkt. An ihrer Wichtigkeit
lässt Dimitri keinen Zweifel: «Die Leute wollen immer
lachen, auch wenn oder vielleicht gerade weil es in
unserer Welt immer weniger zu lachen gibt.» (Basler Zeitung)>
Bildernachweis
-- Dimitri auf einem
Elefant gibt Bananen: aus:
http://www.arte-tv.com/fr/art-musique/special-cirque/723116,CmC=724062.html
-- Dimitri: Szene mit
Mini-Trompete und Mini-Akkordeon: http://www.teatrodimitri.ch/it/52.htm
-- Marcel Marceau,
geb. 1923, eröffnende Geste: aus:
http://www.spiritproject.de/home/personality/we/marcel_marceau.htm
-- Marcel Marceau mit
Rose: "Träumen ist stille Handlung." aus:
http://univerval.free.fr/rever.htm
-- Fredy Knie
senior: aus:
http://www.neudorfstrasse.ch/news/news_03/news_03_12.htm
-- Zirkus Knie: Signet:
aus:
http://www.houska.ch/knie/infos.html
-- Charango:
10-saitige Gitarre aus Nord-Argentinien und
Bolivien: en
-- Schweizer
Filmproduzent Friedrich Kappeler, Portrait: aus:
http://www.gong.ch/Portait/
-- Dimitri mit Frau
Gunda und 5 Kindern: aus:
http://www.riffraff.ch/index.html?/Programm/Filme/Film0370.html
-- Dimitri mit der
Gitarre als "trauriger Clown" / "clown triste":
http://www.swissinfo.org/sfr/swissinfo.html?
siteSect=105&sid=6094619
-- Max Frisch Portrait:
http://www.elcolibri.de/colibri13.htm
-- Dimitri und
Gunda: von Dimitri
-- Dimitri-Portrait
mit Lächeln: aus:
http://www.gsoa.ch/armee/ausland/kampagne/statements.html
-- Micheline Calmy-Rey,
Bundesrätin und Aussenministerin der Schweiz: aus:
http://www.sp-links.ch/BRWahl/MCR.htm (2005)
http://www.armee.vbs.admin.ch/internet/armee/de/home/gebinfbr12/0.html
(2005)
-- Dimitri mit Gitarre
ein Lied spielend unmaskiert und Dimitri-Portrait in
seiner Autobiographie: aus:
http://www.swissinfo.org/sfr/swissinfo.html?siteSect=105&sid=5419747
-- Dimitri: Szene
mit dem Liegestuhl: aus:
http://www.gala-dimitri.ch/dimitri.html
-- Pantomime von Marcel
Marceau, erschrockene Geste: aus:
http://www.muenchenticket.de/vorstellung.jsp;jsessionid=A9124492B34163F2DBDE08B8531DD9BF?id=102933
-- Dimitri gegen
Ausgrenzung von Behinderten zur Abstimmung 2003:
http://www.zslschweiz.ch/Archiv/Texte/VI%20-%20Information.htm
-- Ein Tropfen Frieden:
aus:
http://www.hgg-heidelberg.de/swh/wasser/wassersparen.html