3.1. D. Schweizer kämpfen
in englischen Diensten im Mittelmeergebiet und in Aegypten
Seit 1803 hatte sich die Stellung der Engländer in Aegypten
ständig verschlechtert, diplomatische Intrigen förderten den
franzosenfreundlichen Albanier Mohamed Ali, der die Mameluken
[Militärsklaven im Osmanischen Reich] verfolgte und sich auch
gegen die Türken wandte, die er in Alexandrien belagerte. Zur
Wiederherstellung der Ordnung im Nildelta, das als
Durchgangsland nach Indien für England wichtig war, musste
England nun um so mehr Truppen einsetzen, als es gleichzeitig
in Konstantinopel ebenfalls eine diplomatische Schlappe
erlitten, die durch eine verunglückte Forcierung der
Dardanellen mit acht Kriegsschiffen noch unterstrichen wurde.
[1803: Der Ausflug von GB mit Schweizern von Sizilien nach
Ägypten - Alexandrien ergibt sich an GB - GB besetzt Abukir
östlich von Alexandria - Krieg um die landwirtschaftlichen
Zentren Ramanieh und Rosetta - die Türken kommen zu
Pferde]
So segelten 242 Offiziere und 5672 Mann, darunter das Regiment
von Roll (32 Offiziere, 729 Mann) und die Chasseurs
britanniques (29 Offiziere, 905 Mann) unter Generalmajor
Fraser Mackenzie am 21. Februar [1803] von Sizilien nach
Aegypten. Sturm und ungünstige Kütenverhältnisse verzögerten
die Landung, als deren Folge immerhin Alexandrien am 20. März
sich den Engländern ergab, die eine Sperrstellung östlich
davon bei Abukir einnahmen. Um die Verpflegung der Stadt und
der Armee vom Nildelta her zu sichern, mussten Ramanieh und
Rosetta, zwei Landwirtschaftszentren etwa 70km von der Stadt
entfernt, gehalten werden.
Ein erster Angriff auf Rosetta durch das 31. britische
Regiment und die Chasseurs britanniques endete am 31. März in
einer schweren Niederlage, die Chasseurs verloren 106 Tote und
125 Verwundete. Es war unvermeidlich, durch einen wirklichen
Erfolg nun das europäische Prestige wieder zu sichern;
deswegen [S.161] wurde am 3. April [1803] ein neuer Vorstoss
mit 2500 Mann und 11 Geschützen gemacht. An der Expedition
waren u.a. beteiligt
-- das Regiment von Roll und
-- die Jägerkompagnien aller Regimenter (auch von Roll und der
Chasseurs) in einem "Leichten Infanterie-Bataillon".
Zur Sicherung des Angriffs auf Rosetta wurden 300 Mann von
Roll unter Major Vogelsang nach El Hamed, einem Dorf auf einer
Nilinsel landeinwärts, als Flankenschutz postiert. Die
Belagerung von Rosetta dauerte bereits vierzehn Tage, als
türkische Entsatztruppen gegen El Hamed marschierten, worauf 2
Jägerkompagnien (von Roll und 1/35 IR.) zur Verstärkung
dorthin kommandiert wurden. Diese wurden aber von türkischer
Kavallerie, die den Nilarm überschritt, am 20. April
überfallen. Die 35er Jäger konnten sich retten, während die
Kompagnie von Roll zusammengehauen wurde (tot 73 Mann), nur 5
Jäger entkamen nach El Hamed.
Die Anordnungen von Major Vogelsang waren nicht sehr
geschickt, er verteilte seine 800 Mann in drei verschiedene
Posten. So war es den Türken möglich, seine Aufstellung zu
umgehen und zu durchbrechen, was die Belagerer von Rosetta zum
Rückzug bewog. Dieser musste als Flankenmarsch zur
Angriffsrichtung der Türken hinter den Posten von El Hamed
vorbei nach Westen erfolgen. Zum Schutz der zahlreichen
Verwundeten und Kranken sowie der Trains wurden die noch
vorhanden Kompagnien von Roll und des 78. Schottenregiments
befohlen; diese mussten mehrere Reiterangriffe mit blanker
Waffe abwehren, während der Rest der Belagerungsarmee den
Rückzug gegen einen Ausfall der Besatzung von Rosetta deckte.
Die Geschütze mussten in ihren Stellungen zurückgelassen
werden, sonst aber gelang das Manöver ohne grosse Verluste.
[Die Insel El Hamed im Nildelta bleibt türkisch - türkische
Reiterei massenmordet Schweizer und Schotten - GB räumt
Alexandrien am 20.9.1803]
Die Posten bei El Hamed dagegen wurden zu Wasser und zu Land
angegriffen, so dass es nicht gelang, die drei Detachements
wieder zu vereinigen. Der Mittelposten (2 Komp. von Roll unter
Major Mohr) wurde während der Besammlung noch beim Dorfe
angefallen, schlug sich aber in die Wüste [S.162] durch und
versuchte in wildem Lauf einen Sandhügel zu erreichen, wohin
sich Major Vogelsang mit einer Kompagnie von Roll und zwei
britischen Kompagnien kämpfend zurückgezogen. Nur 4 Mann
gelang dieser Wettlauf mit der türkischen Reiterei, der Rest
wurde zusammengehauen, auch drei Schottenkompagnien (78.
Highland R.) am Westflügel erlitten dasselbe Schicksal.
Nun kämpften die Reste des eingeschlossenen unglücklichen
Detachements gegen mehrfache Uebermacht tapfer weiter, bis die
Türken ein erobertes englisches Geschütz einsetzten, worauf
Major Vogelsang sich mit seinen Leuten ergab. 12 Offiziere,
280 Mann waren gefallen; der Rest wurde gefangen. Bereits im
September aber erfolgte ihre Auswechslung, da sich die
Engländer mit Mohamed Ali inzwischen verständigt und am 20.
September [1803] auch Alexandrien geräumt hatten. 1500 Mann
hatte dieser unglückliche Feldzug gekostet, speziell das
Regiment von Roll hatte einen grossen Teil seines Bestandes
eingebüsst, aber auch Anerkennung für seine tapfere Haltung
geerntet. Der Unteroffizier Joh. Conrad Müller von Basel wurde
am 4. Nov 1807 für seine bewiesene Tapferkeit zum Leutnant
ernannt, eine in der englischen Armee sehr seltene Ehrung.
[April 1807: Eine Meuterei auf Malta durch dalmatinische
und griechische Soldaten wegen "harter Behandlung" -
"standrechtliche Aburteilung der Truppe" - Selbstmorde in
einem Fort]
Während das Regiment in Sizilien seine Bestände durch Werbung
unter den kriegsgefangenen Schweizern und Deutschen aus
Spanien [1]
[1] Vergleiche den folgenden Abschnitt, Seite 166
sowie durch einen vereinzelten Transport Rekruten von
Gibraltar her auffrischte, ereignete sich in Malta eine
Meuterei eines Fremdenregiments Frohberg, das einzelner
Schweizeroffiziere wegen, die darin dienten, oft fälschlich
als "Schweizerregiment" bezeichnet wird. Ein elsässischer
Abenteurer, Baron Frohberg, hatte ein Regiment anzuwerben
begonnen, unterstützt von einigen Schweizeroffizieren. Sein
Kern bestand aus Dalmatinern und Griechen, die im April 1807
wegen harter Behandlung meuterten. Ihr Aufruhr kostet einigen
Offizieren, darunter Schweizern, das Leben und endete [S.163]
mit standrechtlicher Aburteilung der Truppe, die aufgelöst
wurde. Eine Handvoll der Meuterer hatte sich in einem Fort in
Malta eingeschlossen und sprengt sich selbst in die Luft, als
sie ihre hoffnungslose Lage einsah. Diese Erfahrung führte
dazu, dass von da ab nur noch rein britische Regimenter auf
Malta Verwendung fanden.
[Schweizersoldaten auf Sizilien ab 1806: "Expeditionen" auf
Mittelmeerinseln - putzen, Pferde pflegen, wachen und
drillen]
Die Schweizer der verschiedenen Regimenter auf Sizilien (von
Wattenwyl, von Roll und Chasseurs britanniques) nahmen in
kleineren Detachementen an einer Expedition teil, die im Juni
1809 vorübergehend die Inseln Ischia und Procida im Golfe von
Gaeta eroberte; sonst aber wurden sie nur zu Garnisons- und
Wachtdiensten auf Sizilien verwendet und fleissig gedrillt.
[1]
[1] Im Frühjahr 1808 waren mit den nach kurzem Dienst in
Gibraltar zurückkehrenden 824 Mann des Regiments von Wattenwyl
auch die kleinen Reste des Regiments de Meuron, 167 Mann, in
Sizilien gelandet worden. Angesichts der numerischen Schwäche
des Regiments konnte es nur zu Garnisonsdiensten verwendet
werden und wurde allmählich wieder ergänzt. Durch Einstellung
von Gefangenen und Deserteuren zählte es 1812 wieder 1150
Mann.
[1808-1810: Das Regiment von Wattenwyl auf Sizilien - F
gegen Sizilien: missglückten Landung bei Messina unter
General Cavaignac - leichtes Bataillon von Fischer von Bern
besiegt Korsen - 500 Gefangene stossen zum Regiment
Wattenwyl]
Im September 1810, nach mehr wie einem Jahre relativen
Friedens, bestand das Regiment von Wattenwyl aus 42 Offizieren
und 834 Mann. Von diesen letztern waren 156 Schweizer, 231
Deutsche, 120 Italiener, 10 Holländer und Belgier, 238 Polen,
Ungern und Russen, 39 Griechen und 40 Franzosen. Einen
weiteren Zuschuss an Fremden erhielt es durch Einstellung von
500 Gefangenen, die einer Expedition des französischen
Generals Cavaignac nach Sizilien im September 1810
entstammten. Mit 4000 Mann hatte dieser eine Landung südlich
Messina versucht, war aber noch im Landen angegriffen worden
und musste sich nach Zurücklassung von 1000 Mann Gefangenen
auf seine Schiffe zurückziehen. Zu seiner Niederlage hatte ein
aus den Jägerkompagnien aller Regimenter gebildetes "leichtes
Bataillon" unter Oberstleutnant K. v. Fischer von Bern in
starkem Masse beigetragen, indem es ein korsisches Bataillon
von 850 Mann zur Ergebung zwang. Das Jägerdetachement von Roll
(Leutnant [S.164] von Planta) hatte dabei die Fahne der Korsen
erobert. Nach dieser Erfahrung versuchten die Franzosen nun
nicht mehr, nach Sizilien überzusetzen.
[Wettlauf F und GB: F besetzt Dalmatien (Kroatien-Küste) -
GB besetzt die Korfu-Inseln und Cerigo (Kythira) - März
1810: GB vertreibt Franzosen von der Insel Leukas]
Dagegen begann England sich nun um die Ionischen Inseln
[Inselgruppe um Korfu], am Südausgang des Adriatischen Meeres,
zu kümmern. Frankreich hatte freie Hand in Dalmatien
[kroatische Küste] erhalten und suchte sich diese
Flottenstationen zu sichern. Bereits war Korfu stark besetzt
worden. Nun sollte ein englisches Expeditionskorps die
vorliegenden Inseln wenigstens sichern. Bereits im September
1809 hatte eine Expedition von 1800 Mann, unter Brigadier
Oswald, [die Inseln] Zante [Zakynthos], Kephallonia
[Kefalonia], Ithaka und Cerigo [Kythira in Süd-Griechenland]
besetzt. Dagegen war die dem Golf von Arta vorgelagerte grosse
Insel Leukas (Santa Maura) [eine der Korfu-Inseln] von etwa
1600 Franzosen unter General Camus gehalten, der damit die
britischen Inseln stets bedrohte.
Mit 2500 Mann (darunter 224 vom Regiment von Roll) setzte
Oswald im März 1810 nach Leukas über und landete an der
weitausreichenden Südspitze der Insel. Die Landzunge wurde
durch eine Schanze mit Wassergraben, von 500 Mann mit 4
Geschützen besetzt, verteidigt. Ein Detachement unter Major
Clarke (je 2 Kompanien von Roll, Marinesoldaten und Korsische
Jäger) wurde hinter griechischen Freiwilligen, die im
Schützenfeuer versagten, eingesetzt und nahm die Sperre im
Bajonettangriff. Damit konnte an die Belagerung des Inselforts
gegangen werden, das sich 8 Tage lang wütend verteidigte. Am
16. April [1810] wurde es mit stürmender Hand genommen, an der
Spitze der von Rollschen Grenadiere und Jäger stürmten die
Hauptleute von Steiger und N. von Müller. 153 Angehörige des
Regiments wurden als Teilnehmer an diesem Sturm ausgezeichnet.
Die Liste weist neben 60 Schweizern 15 Polen auf, der Rest des
Detachements bestand aus Deutschen Italienern und Engländern.
[1810: Krieg in Spanien organisiert: mit Schweizersoldaten]
Der ausgebrochene Krieg in Spanien beanspruchte je länger je
mehr alle Kräfte auf der Pyrenänenhalbinsel. Im März 1810
wurden die Chasseurs britanniques mit 3 andern Regimentern
nach Spanien verschifft, im Oktober [S.165] 1811 landete das
Regiment von Wattenwyl in Cadiz in Spanien. Im Sommer 1812
wurde ein Detachement von Roll (4 Kompagnien unter Major Mohr)
zu einer Expedition an die spanische Ostküste entsandt. Es
wurde mit den Resten des Regiments Dillon zum Regiment
Roll-Dillon zusammengefasst, während 3 Kompagnien unter Major
Vogelsang in Sizilien blieben als Garnisonen von Messina und
Catania. Die letzten 3 Kompagnien kamen nach Malta in Ablösung
des ebenfalls zum Abtransport bestimmten Regiments de Meuron,
das wir später in Kanada treffen werden. [S.166]
Bildernachweis
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