3.1. C. Schweizer kämpfen
für und gegen das Kaiserreich: 1805-1814
Aufstellung und Feldzüge in Italien. 1805-1811.
[Die Zusammenstellung neuer Regimenter, Bataillone und
Kompanien mit 16.000 Schweizern]
Durch Militärallianz und Kapitulation [Militärvertrag] vom
27.September 1803 verpflichtete sich die wiederhergestellte
Eidgenossenschaft, Frankreich 4 Regimenter von je 4000 Mann
[insgesamt 16.000 Mann] durch freie Werbung zu stellen. Wieder
wurde bestimmt, dass nur Dienst auf dem europäischen Festland
geleistet werde; die Anwerbung erfolgte auf 4 Jahre, Besoldung
und Beförderung war den französischen Truppen gleichgestellt
[S.156]. [1]
[1] Uniform: roter Rock, weisse Hose, Gamaschen, weisses
Lederzeug. Aufschläge und Kragen gelb beim 1., königsblau beim
2., schwarz beim 3., hellblau beim 4. Regiment. Grenadiere
Bärenmützen, übrige Tschako.
Jedes Regiment bestand aus 4 Bataillonen und 1
Artilleriekompagnie (2 Geschütze). Anfänglich zählte jedes
Bataillon 1 Grenadier- und 7 Füsilierkompagnien. 1807 wurde
noch je 1 Voltigeurkompagnie aufgestellt aus kleinen, flinken
Leuten, die hinter Reitern aufs Pferd sitzen konnten, also
eine Art "leichter Truppen". Ein Regimentsdepot von ca. 1000
Mann sollte die stete Ergänzung der Bestände jedes Regiments
ermöglichen. Wie zu Zeiten der bourbonischen Könige gab es
wieder einen Generalobersten der Schweizer; zuerst Marschall
Lannes, nach dessen Tode 1809 Marschall Berthier, als Fürst
von Neuenburg.
[Kriegsgefahr mit Ö+Ru im Frühjahr 1805 - neue Regimenter
in Italien - Schlacht von Castelfranco vor Venedig
(23./24.11.1805): Ö verliert Venedig - F besetzt Neapel]
Erst im Frühjahr 1805, als ein neuer Krieg mit Oesterreich und
Russland in Sicht war, berief sich der Kaiser auf diesen
Vertrag und verlangte vorerst die Aufstellung des ersten
Regiments, dessen Grundstock die alten Halbbrigaden bilden
wollten. In Bastia bildete die 3. Halbbrigade das 1.
Bataillon, in Elba das 2.; in Livorno wurde aus der 2.
Halbbrigade das 4. Bataillon formiert, und aus den durch
Rekruten ergänzten Resten der 1. Halbbrigade entstand in
Oléron bei Rochefort das 3. Bataillon. Regimentskommandant
wurde Oberst Raguettly von Flims. Aus 33 bisherigen
schweizerischen Bataillonen, 3 Schwadronen und 1
Artilleriekompagnie war die Mannschaft des neuen Regiments
zusammengestellt worden, ein Hinweis auf die grossen
Blutopfer, die die Schwächezeit der Eidgenossenschaft das Land
gekostet.
Briefe aus den ersten Feldzügen des Regiments besagen, dass
die neue Truppe vom besten Geist beseelt war; die
Muss-Soldaten aus der Zeit der Helvetik waren verschwunden,
der alte Söldnergeist herrschte wieder unter den Freiwilligen;
auf sorgsame Auswahl der Offiziere wurde besonderes Gewicht
gelegt, die Anforderungen an deren Erziehung und Charakter
[S.157] wurden gesteigert, zum Vorteil der Truppe. Am 4. Juli
1805 formiert, marschierte das 3. Bataillon (Kommandant Major
Scheuchzer) in 52 Marschtagen nach Turin und kam dann ins
Gebiet von Parma, wo es einen ermüdenden Kleinkrieg mit
aufständischen Bauern führte. Im September 1806 zog es nach
dem inzwischen von Masséna eroberten Neapel, wo bereits das 4.
Bataillon (Kommandant Oberstleutnant Clavel) zur Erholung lag.
Dieses hatte im Herbst 1805 im Korps Gouvion St-Cyr gegen die
Oesterreicher in Venetien gekämpft, und in der Division
Reynier teilgenommen an der Schlacht von Castelfranco (23./24.
November [1805]), in der der österreichische Führer Prinz
Rohan mit 6000 Mann zur Uebergabe gezwungen wurde. Im Frühjahr
1806 zog es unter General Reynier nach Neapel, nahm teil an
den Gefechten von Campotenese und vor Gaeta, indessen der
König von Neapel nach Sizilien floh und die Engländer zu Hilfe
rief.
[England gegen Frankreich in Süditalien in Kalabrien in
Maida - mit Schweizern und Polen - Regiment von Wattenwyl
mit Maida-Knöpfen]
General Stuart landete darauf Ende Juni [1806] mit 4 Brigaden
(251 Offiziere, 5280 Mann) in der Bucht von Sta. Eufemia in
Kalabrien. Auf diese Nachricht hin rückte General Reynier mit
9 Bataillonen (6440 Mann, davon 630 Schweizer des 4.
Bataillons) in Eilmärschen heran und legte in 3 Tagen 80
Meilen auf schlechten Wegen zurück, er lagerte etwas
landeinwärts am Flusse Amato bei Maida. Stuart zog ihm am 4.
Juli entgegen; 4 Kompagnien des Schweizerregiments von
Wattenwyl liess er als Lagerwache zurück; voraus marschierte
die "leichte Brigade" Kempt, der auch die Wattenwyl'sche
Jägerkompagnie zugeteilt war, die Grenadiere des
Schweizerregiments standen in der Brigade Cole am linken
Flügel, die restlichen 4 Kompagnien Schweizer waren der
Reservebrigade Oswald zugeteilt. Zuerst warf die Brigade Kempt
die Flügelbrigade Compère der Franzosen, deren
Kolonnenangriffe im Feuer der ausgeschwärmten Jäger
zusammenbrachen; 900 Mann zurücklassend, zog, sie sich nach
Maida zurück und deckte dadurch die Flanke der Nebenbrigade
Peyri ab, in der 2 Bataillone Polen in erster Linie und
dahinter das Bataillon [S.158] Clavel marschierten. Die Polen
flohen schmählich, wie sie in das zielsichere Salvenfeuer der
Engländer kamen; das Schweizerbataillon hielt stand, wurde
dann aber durch den Flankenangriff auf die letzte französische
Brigade, Digonet, geworfen und musste mit dieser zurückgehen.
General Reynier zog sich auf Catanzaro zurück unter Verlust
von 1300 Mann, die Engländer hatten 327 Tote und Verwundete.
Ihr ruhiges Feuer auf kurze Distanz hatte sich den ungestümen
Angriffen der Franzosen überlegen gezeigt. Die beteiligten
Regimenter erhielten Ehrenmeldungen; das Regiment von
Wattenwyl führte den Namen "Maida" künftig auf seinen
Uniformknöpfen.
Der Erfolg wurde nicht ausgenützt; zwar belagerte Stuart die
kleine Festung Scylla, die am 23. Juli kapitulierte, aber am
26. Juli schiffte sich sein Heer wieder ein und beschränkte
sich auf die Küstenbewachung in Sizilien, während Reynier
einen grausamen Kleinkrieg gegen die Bauern- und Räuberbanden
führte, der auch die Schweizer viele Verluste kostete.
[Desertionen und Kriegsverweigerung in der Schweiz - die
schweizer Regierung kann die Regimenter kaum "auffüllen"]
Strapazen in Kalabrien schreckten selbst Abenteuerlustige ab.
Trotz aller Gewaltmassnahmen (strafweiser Einstellung von
Leuten, die zu Polizeistrafen Anlass gaben und dergleichen)
konnte die Schweiz ihre Regimenter nie auf vollem Stand
behalten. Es dauerte über zwei Jahre, bis das 2. Regiment
seine 4000 Rekruten geworben hatte. Beim 3. Regiment wurden
mehrfach Rekruten der letzten beiden Bataillone in die ersten
zwei umgeteilt, um wenigstens die Marschbataillone für den
Feldzug in Spanien bereitzuhalten. So zählte das 1. Bataillon
allerdings im Herbst 1807 1250 Mann, das heisst 140 Mann per
Kompagnie, aber schon das zweite rückte unvollständig über die
Grenze, während vom 3. und 4. Detachement nicht nur in die
Befestigungen von Tête de Flandre und Blankenberghe (437 Mann)
genommen wurden, sondern noch ein "provisorisches
Marschbataillon" nach Spanien entsandt wurde. Auch im 4.
Regiment war die Aufstellung schwierig, die Kantonskontingente
wurden ungenügend, oft gar nicht gestellt. Statt zwei
Kompagnien lieferte [S.159] Unterwalden z.B. nur 20 Mann,
Graubünden knapp eine statt drei Kompagnien. Im Oktober 1807
zählte das 3. Bataillon beim Abmarsch nach Spanien erst 943
Mann, das vierte damals nur 413 Mann in 9 Kompagnien.
[Bataillon aus dem Wallis für Frankreich - das Wallis wird
im September 1811 Mitglied im "Département Simplon"]
Im Wallis, das seit 1805 eine eigene Republik bildete, wurde
ebenfalls ein Bataillon für die französischen Dienste
ausgehoben. Seine Uniform war ebenfalls der rote Rock, aber
mit weissen Aufschlägen und Kragen. Ursprünglich von
Oberstleutnant de Bons, seit 1810 von Blanc kommandiert, wurde
es infolge der Einverleibung des Kantons in das französische
Departement Simplon im September 1811 dem französischen 11.
Linien-Infanterie-Regiment mit Garnison in Wesel zugeteilt.
Während seiner kurzen, selbständigen Existenz finden wir das
Walliserbataillon als Kampfgefährten der Schweizer in Spanien.
[Neuenburg ab 1806 französisch - das Bataillon "Canaris" ab
1807 - Einsatz ab 1809 gegen Österreich - Verteidiger der
Donauinsel Lobau - dann ab Januar 1810 in Spanien]
Als Folge der preussischen Niederlagen wurde Neuenburg 1806
als Fürstentum dem Marschall Berthier, dem Generalstabschef
Napoleons zugewiesen. Er liess im Mai 1807 ein Bataillon von 6
Kompagnien aufstellen, im Volksmund der gelben Uniformröcke
wegen "les canaris" genannt, dem 1 Kompagnie Artillerie und
Sappeure von 83 Mann, mit zwei Geschützen, zugeteilt war.
Deren Uniform war allerdings blau mit roten Aufschlägen, wie
auch der Ausgangsanzug der Offiziere des Bataillons. Obwohl
schon 1808 aufgestellt und 967 Mann stark, kam das Bataillon
erst 1809 im Feldzug gegen Oesterreich zur Verwendung, und
zwar als Garde seines Fürsten. Da dieser stets beim Kaiser
blieb, marschierten und kampierten die "Canaris" mit der
kaiserlichen Garde. Sie fanden eine erste Verwendung als
Verteidiger der Donauinsel Lobau, die unter General Reynier
während der Schlacht bei Wagram befestigt wurde, zur Sicherung
des Flussüberganges. Zum eigentlichen Eingreifen kam das
Bataillon aber nicht; es wurde im November direkt von Wien
nach Spanien geschickt, wo es im Januar 1810 eintraf. Sein
dortiges Schicksal werden wir in späterem Kapitel sehen.
[S.160]
[Damals gab es noch keine Autobahnen oder Eisenbahnen - es
wurde alles marschiert und auf Eseln und Pferden
transportiert. Kutsche fahren konnten nur die "hohen Leute"
wie Oberste und Offiziere].
Die Frankreich schon vor 1800 einverleibten Gebiete von Genf
und des Berner Jura (ehemaliges Bistum Basel) stellten ihre
Ausgehobenen in den französischen Linienregimentern Nr.35
(Genf) und 61 (Département Mont Terrible), die der grossen
Armee angehörten, aber z.B. nicht in Spanien zur Verwendung
kamen. [S.161]
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