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Mag-i-no-ko!

Die Schweiz im Zweiten Weltkrieg

12. Bomben - Luftabwehr - Transit - Alliierte - Kredit - Waffen für das Dritte Reich - Spionage - Finanzpolitik - Siegeshoffnungen - die Schweiz von Mai bis August 1943

Karte
                mit der Schweiz, dem Dritten Reich und Italien und dem
                Simplontunnel, Gotthardtunnel und dem Brennerpass [1]
Karte mit der Schweiz, dem Dritten Reich und Italien und dem Simplontunnel, Gotthardtunnel und dem Brennerpass [1]
Fällt die Brennerlinie aus, bleiben nur noch die beiden schweizer Tunnels


von Michael Palomino (1998 / 2004 / 2010)

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aus:
-- Hauptquelle: Markus Heiniger: Dreizehn Gründe. Warum die Schweiz im Zweiten Weltkrieg nicht erobert wurde, Limmat-Verlag, Zürich 1989
-- Webseiten

Wieder "irrtümliche" alliierte Bomben auf Örlikon - Streit um Luftabwehr - weitere Transiteinschränkungen - wieder alliierte Warnungen - weitere Kredite an das Dritte Reich / 3. Reich

Am 18.Mai 1943 fallen wieder gezielt britische Bomben auf Örlikon. Die Diplomatie vertuscht. Bundesrat Pilet-Golaz betrachtet im Namen des Bundesrats den britischen Bombenabwurf als:

Pilet-Golaz:
"[...]   nicht absichtlich [...]  . Absichtlich abgeworfene Bomben würden selbstverständlich für die Schweiz eine Kriegserklärung bedeuten."[182]   (S.98)

Alle alliierten Bombardierungen werden als "irrtümlich" bezeichnet, obwohl sie sehr wohl als alliierte Warnschüsse gegen die schweizer Kriegsmateriallieferungen an das Reich sind (S.96). Die schweizer Politik und General Guisan lassen nun sogar die Installation von Flugabwehr für die Industrieanlagen planen[183]  , mit Unterstützung des deutschen Staatssekretärs Weizsäcker und des Gesandten Köcher.[184]   Guisan und Köcher sind für direkten Objektschutz, während der Bundesrat mit Installation der Flak in der "Umgegend von Anlagen" seine Position vertuschen möchte. Dies lehnt Guisan ab, denn dann sei die Bevölkerung direkt gefährdet (S.97).[185] 

Den Alliierten gelingt es ab 1943 mehrmals, die Brennerlinie zu bombardieren. Die Bedeutung von Gotthard und Simplon nimmt dadurch noch mehr zu. Die schweizer Armee hat Befehl, die deutschen Güter und die Tunnels vor Sabotageakten zu schützen und befolgt diese Befehle auch noch... (S.61).

Karte
                      mit der Schweiz, dem Dritten Reich und Italien und
                      dem Simplontunnel, Gotthardtunnel und dem
                      Brennerpass [1] Karte mit der Schweiz, dem Dritten Reich und Italien und dem Simplontunnel, Gotthardtunnel und dem Brennerpass [1] Fällt die Brennerlinie aus, bleiben nur noch die beiden schweizer Tunnels als kürzeste Verbindung zwischen dem Dritten Reich und Italien. Und der Bundesrat sperrt die Tunnels nicht. Was ist der Grund?




Am 26.Mai warnen England und die "USA" die Schweiz ausdrücklich vor jeder neuen Krediterteilung an das Reich (S.121). Der Transit wird in den Augen der Alliierten "unmoralisch". Sie fordern im Juni 1943 ein Verbot des kriegswichtigen Mineralöl-Transits. Der Bundesrat stimmt zu (S.62).[186] 

Am 23.Juni 1943 tritt die neue Kohlekreditvereinbarung in Kraft: Die Schweiz hat für jede gelieferte Tonne Kohle einen Vorschuss von fünfzig Franken zu leisten, der als Vorausbezahlung für Kohle betrachtet wird, die nach dem Krieg bezogen werden kann (S.106).

[Einen deutschfreundlicheren Vertrag kann man sich eigentlich nicht vorstellen. Die Schweiz mit ihren Kohleheizungen war schlichtweg auf deutsche Kohle angewiesen und wollte nicht, dass die Schweizer frieren müssen. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, wieso die Eisenbahntunnels nicht gesperrt werden. Die Alliierten wissen davon scheinbar nichts].

Der gesamte Kredit der Schweiz an das Reich beträgt zu diesem Zeitpunkt:
-- 739 Mio. Franken an "Barvorschüssen"
-- 273 Mio. Franken an "Transfergarantien": der Bund springt mit Steuergeldern ein, wenn das Reich nach neuen Monaten immer noch nicht bezahlen kann
-- 107 Mio. Franken an sogenannten Kohlekrediten (S.106).[187] 

Am 29.Juni 1943 meldet Staatssekretär von Weizsäcker an die Botschaft in Bern, dass ein Grossteil des Nachschubs für das deutsche Afrikakorps nun noch über den Gotthard befördert werde[188]   (S.59).[189] 


Die Wichtigkeit der schweizer Waffenlieferungen - Export-Import-Bilanz - das Reduit ist ausspioniert - Spionageverbot und erste Handelsbeschränkungen - die Finanzpolitik der Schweiz mit der Achse - immer noch schweizer Endsieghoffnungen

Deutsche Quellen bezeichnen die schweizer Waffenlieferungen immer wieder als sehr wichtig (S.95). Man kann sich keinen Ausfall der schweizer Waffenlieferungen leisten (S.95-96). In einem "Lagebericht" des Auswärtigen Amtes von Ministerialdirektor Karl Clodius vom 3.6.1943 schildert dieser, dass für Rüstungsminister Speer, das OKW unter Keitel und für sämtliche übrigen Ministerien wirtschaftliche Kampfmassnahmen gegen die Schweiz nicht in Frage kommen, da das Reich auch auf die seit 1943 eingeschränkten Rüstungslieferungen aus der Schweiz keinen Monat verzichten könne. Die schweizerischen Rüstungslieferungen würden zwar nur etwa ein halbes Prozent der deutschen Rüstungskapazität ausmachen, jedoch handle es sich um "besonders wichtige technische Speziallieferungen", die das deutsche Panzer- und Fernsteuerungsprogramm [bzw. Raketenprogramm]   erheblich beeinflussten (S.96).[190] 

Karl
                      Clodius, Portrait 1942 [2] Karl Clodius, Portrait 1942 [2]

[Konkret heisst "Fernsteuerungsprogramm", dass die Schweiz wesentliche Präzisionsteile Teile zum Bau der Nazi-Raketen V1 und V2 geliefert hat. England wurde also mit schweizer Technik bombardiert. Das wurde in verschiedenen schweizer Radiosendungen um das Jahr 1998 erwähnt. Es kann nur vermutet werden, dass auch die erste Interkontinentalrakete zum Teil aus schweizer Uhrwerktechnik bestand. Die Interkontinentalrakete gegen New York kam dann aber nicht mehr zum Einsatz].

Clodius war ein deutscher Berufsdiplomat und Wirtschaftsexperte, zuerst in der Weimarer Republik, dann im Dritten Reich, der die Wirtschaftsverträge mit der Schweiz und mit den Ländern Südosteuropas mit ausgehandelt hat. Am Ende landet er in Rumänien, wird in die Gulag-Sowjetunion verschleppt [web01].

Die Exporte von 1939 bis 1943
-- von "Eisen- und Stahlwaren" nehmen von 5,9 auf 107,3 Millionen Franken zu
-- der "Maschinen- und Maschinenbestandteile" von 25,3 auf 156,6 Millionen Franken
-- der "Instrumente und Apparate" von 3,7 auf 97 Millionen Franken (S.67) [191]  

1943 wird im Export von "kriegswichtigen Waren" an das Dritte Reich eine Spitze von 425 Millionen Franken erzielt, wogegen an die Alliierten solche nur im Wert von 17,8 Millionen Franken geliefert werden (S.69).[192] 

Im Sommer 1943 fliegt auf, dass deutsche Agenten das gesamte Reduit der schweizer Alpen ausspioniert haben. Der Chef des OKW Keitel äussert sich lapidar:

Keitel:
"Was die Schweiz militärisch macht, ist zur Zeit ganz belanglos. Man kann sie nur wirtschaftlich abdrosseln." (S.49)[193] 

[Dieses "Abdrosseln" der Schweiz bezieht sich unter anderem auf die Erpressung mit Kohle für die schweizer Heizungen].

Ab Mitte 1943 kommt die deutsche Spionage gegen die Schweiz definitiv zum Erliegen (S.148). Am 1.Juli 1943 treten erste Beschränkungen im Exporthandel mit dem Reich in Kraft (S.98).

Manche schweizer Industriellen träumen währenddessen immer noch von einem deutschen "Endsieg", z.B. Minister Hans Sulzer, Präsident des Vorortes, der der englischen Seite vorwirft, die Wahrheit über den Gulag-Bolschewismus nicht zu kennen, was einen deutschen Sieg voraussetze. Im Telegramm vom 6.8.1943 des deutschen Botschaftsrats Schleier aus Paris nach Berlin werden Informationen des englischen Marinespezialisten Professor Noe über Sulzer weitergegeben, wonach Sulzer klar ausdrückt, dass das Reich den Krieg gewinnen müsse, da eine Niederlage gegen eine kapitalistisch-kommunistische Koalition für die übrigen Länder des europäischen Kontinents eine Gefahr bedeute und dem Gulag-Bolschewismus den Weg ebne. Die Pläne der englischen Politik sollten nicht Wirklichkeit werden (S.210-211).[194] 

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Quellen
[182]  Bonjour, Edgar: Geschichte Bd. VII, S.255
[183]  Köppel, Edgar: Kriegsmaterialexporte; In: Tagungssekretariat "Für das Leben produzieren" (Hg.): Waffenplatz Schweiz 1983, S.129
[184]  Fink, Jürg: Die Schweiz aus der Sicht des Dritten Reiches 1985, S.153
[185]  Koeppel, Edgar: Kriegsmaterialexporte; In: Tagungssekretariat "Für das Leben produzieren" (Hg.): Waffenplatz 1983, S.129
[186]  Ochsner, Richard: Transit; in: Bindschedler, Rudolf L. u.a. (Hg.): Schwedische und schweizerische Neutralität. Basel 1985, S.222ff.
[187]  Urner, Klaus: Wirtschaftsbeziehungen; In: Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 6.12.1968. Über das Verfahren der Transferkredite: siehe auch: Hotz; In: Die schweizerische Kriegswirtschaft 1939-1948, S.82
[188]  Weltwoche, 30.4.1987
[189]  Weltwoche, ebda.
[190]  Fink, Jürg: Schweiz, S.163
[191]  Statistisches Jahrbuch der Schweiz 1946, S.350-351
[192]  Urner, Klaus: Neutralität und Wirtschaftskrieg; In: Bindschedler u.a. (Hg.): Schwedische und schweizerische Neutralität 1985, S.272
[193]  Fuhrer, Hans Rudolf: Spionage, S.41
[194]  Meienberg, Niklaus: Blättern in einem Politischen Archiv; In: Tages-Anzeiger Magazin, 14.6.1975, S.9

[web01] http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_August_Clodius

Fotoquellen
[1] Karte Simplon, Gotthard, Brenner:
https://shop.afterbuy.de/Physik--Chemie--Geologie-Orig--Stich-aus-1893-Geo--Landkarte-der-Alpen/a8751506_u1440/

[2] Karl Clodius, Portrait 1942: http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_August_Clodius


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