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Kriminelle, schweizer Geheimdienste: PUK-Bericht 1990 über UNA, MSD, P-26 und P-27

14. Der kriminelle, "ausserordentliche" Nachrichtendienst P-27 (P27): Die Vorgeschichte

Max Waibel - Wiking - Büro Ha - Spitzel-Oberst Bachmann - Pegasus und Argus - "Lücken im Nachrichtendienst" - globale Strategie und grenznaher Raum - ausserordentlicher Nachrichtendienst AOND - Verletzung fremden Rechts - die Grundkonzeption für den kriminellen P-27 - ein "Pflichtenheft"

Der Spitzel-Oberst Bachmann am
                              Telefon  Divisionär Weidenmann 1967-1977
Der Spitzel-Oberst Bachmann am Telefon [1] - erhielt 1974 von Divisionär Weidenmann einen "Auftrag" [2]

Generalstabschef Jakob Vischer
                              1972-1976  Bundesrat und Verteidigungsminister
                              Gnägi, Portrait 1971
Generalstabschef Jakob Vischer 1972-1976 [5] reicht bei Bundesrat und Verteidigungsminister Gnägi [3] ein Memorandum über "Lücken im Nachrichtendienst" ein.

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Mit Spionage lernt man nicht dazu, sondern nur mit denken.

Dummheit erfindet schnell eine Gefahr, damit man spionieren kann. Und die kriminelle Schweiz ist kein Denkerstaat, sondern ein Manipulationsstaat gegen die GANZE Welt - auch bei der Spionage - speziell gegen Ausländer - die Psychose im schweizerischen Geheimdienst


-- UNA=Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr (Spionage, Spannerei v.a. gg. Kritiker unter Oberst Bachmann)
-- MSD=Militärische Sicherheitsdienste (Spionage und Rufmorde der Bundesanwaltschaft und der hohen Militärs gegen schweizer Militärangehörige)
-- P-26=Projekt 26 ("Widerstand", gegründet von Helmut Hubacher, Chef angeblich Cattelan)
-- P-27=Projekt 27 (Spionage, Spannerei v.a. gg. Ausländer, gegründet von Helmut Hubacher, Chef Kaspar Villiger)

P-27

2. Ausserordentlicher Nachrichtendienst [P-27 - die Vorgeschichte seit 1938]

2.1 Ausgangssituation

Wie bei der Widerstandsorganisation [P-26] ist auch die Existenz eines ausserordentlichen Nachrichtendienstes [P-27] durch die Verfügung des Vorstehers EMD [Drogenbaron Kaspar Villiger] vom 30. März 1990 offiziell bestätigt worden (vgl. Ziff. 1.1). Die PUK EMD legte auch hier bei Erfüllung ihres Auftrages gemäss Artikel 2 des Bundesbeschlusses vom 12. März 1990 das Hauptgewicht auf die Abklärung der gegenwärtigen Situation.

2.2 Historischer Rückblick

2.2.1 Geheime Nachrichtendienste im Zweiten Weltkrieg - [Generalstabschef Labhart und die Nachrichtenbeschaffung mittels Agenten]

Im Jahre 1938 erliess der damalige Generalstabschef Labhart (1936 bis 1940 Generalstabschef der Schweizer Armee [web01]) "Weisungen für den Neuaufbau des Nachrichtendienstes", die unter anderem auch die Aufgaben und Aktivitäten der damaligen Nachrichtensektion festlegten. Nach diesen Weisungen oblag der Nachrichtensektion der Generalstabsabteilung auch der Geheimdienst im engeren Sinne, d.h. die Nachrichtenbeschaffung mittels Agenten.

[Max Waibel in Luzern 1939-1945 - Deckname "Rigi" - "Wiking"]

Beispiele solcher geheimdienstlicher Aktivitäten des Schweizerischen Nachrichtendienstes während des Zweiten Weltkrieges sind bekannt. So schuf die "Nachrichtensammelstelle 1, Territorialkommando 8" unter Max Waibel in Luzern unter dem Decknamen "Rigi" eine eigene Nachrichtenbeschaffungsorganisation in Deutschland, die über Verbindungen bis zur Spitze der deutschen Wehrmacht verfügte.

Berühmtheit erlangte auch die Nachrichtenlinie "Wiking", welche Max Waibel schon vor dem Krieg aufgebaut hatte und die prä- [S.233]

zise Informationen über die bevorstehenden deutschen Feldzüge nach Skandinavien, Frankreich (1940) und Russland (1941) lieferte.

[Private Nachrichtenorganisationen 1933-1945: "Büro Ha"]

Neben den von Teilen der Armee betriebenen Geheimdienstnetzen bestanden auf privater Basis errichtete, weitverzweigte nachrichtendienstliche Organisationen, welche die schweizerische Armeeleitung mit Informationen aus eigenen Quellen versorgten. Das bekannteste Beispiel einer solchen Organisation ist das "Büro Ha", aufgebaut und geleitet von dem seinerzeit in Teufen wohnhaften Kaufmann Hans Hausamann. Über verschiedene Quellen wurde nicht nur die Schweiz, sondern auch die Alliierten (inkl. Sowjetunion) mit wichtigen Informationen über Pläne und Projekte des Deutschen Reichs beliefert. Nach aussen war Hausamann aus Gründen der Abstreitbarkeit privat tätig, er arbeitete aber eng mit den offiziellen Stellen zusammen.

[ab 1945: Private Nachrichtenorganisationen machen zum Teil weiter - Büro Ha wird 1975 vom Spitzel-Oberst Bachmann übernommen]

Während sich die geheimen Nachrichtendienste der Armee während und nach dem Zweiten Weltkrieg auflösten, ist über die weitere Existenz und Tätigkeit der privaten geheimen Dienste nichts bekanntgeworden. Eine Ausnahme gilt nur in Bezug auf die Organisation Hausamann, von der die Arbeitsgruppe Bachmann der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates in ihrem Bericht 1981 feststellte, sie sei im Jahre 1975 von Oberst Bachmann - im Einvernehmen mit dem Unterstabschef Nachrichtendienst und Abwehr - übernommen worden.

2.2.2 Aufbau eines ausserordentlichen Nachrichtendienstes durch Oberst Bachmann

2.2.2.1 Auftrag an Oberst Bachmann - [eine "besondere Nachrichtenorganisation" - Studie 1974 - ein "Vortragsexposé"]

Der Spitzel-Oberst Bachmann am
                Telefon  Divisionär
                Weidenmann 1967-1977
Der Spitzel-Oberst Bachmann am Telefon [1] - erhielt 1974 von Divisionär Weidenmann einen "Auftrag" [2]

Ende 1973 wurde Oberst Bachmann beauftragt [wer hat beauftragt?], eine besondere Nachrichtenorganisation zu planen. Der Auftrag wurde als geheim klassifiziert. Gespräche durfte Oberst Bachmann nur mit einem engen Kreis von Personen führen. Am 19. April 1974 legte er eine entsprechende Studie vor. Divisionär Weidenmann erteilte darauf Oberst Bachmann den Auftrag, seine Arbeiten für einen mündlichen Bericht zuhanden des Departementsvorstehers und allenfalls der Mi- [S.234]

litärdelegation des Bundesrates zusammenzufassen. Oberst Bachmann stellte das Ergebnis seiner Studien in Form eines Vortragsexposés zusammen, welches er am 28. August 1974 Divisionär Weidenmann übergab. Das Ergebnis der Studien fasste Oberst Bachmann in der Referatsvorlage wie folgt zusammen:

[Spitzel-Oberst Bachmann will schweizer Spionage im Ausland]

"1. Vorgesehen ist eine Organisation, die ausserhalb der Bundesverwaltung stehen soll. Ihr Chef soll für den Aufbau, die Ausbildung und die Führung verantwortlich sein; er und seine Mitarbeiter sollen nicht im Bundesdienst stehen.

2. Das Projekt sieht zwei Netze vor, die grundsätzlich aus Sicherheitsgründen voneinander getrennt organisiert werden sollen.

[Das Netz der strategischen Nachrichten - "Pegasus"]
Ein Netz hätte strategische Nachrichten in den Spannungsfeldern zu beschaffen mit dem Ziel, die rechtzeitige Mobilmachung zu gewährleisten. Als Nachrichtenquellen sind Mitarbeiter der schweizerischen Industrie und Presse im Ausland und die mit diesen in Verbindung stehenden Vertrauensleute aus Politik, Armee und Wirtschaft der Beschaffungsländer. Seine Aufgabe wäre die rechtzeitige Warnung in Krisenfällen und nicht die tagtägliche Sammlung von Informationen. Statt viele Mosaiksteine zu sammeln und zu sieben, wollen wir die entscheidenden Steine in die Hand bekommen. Die weltpolitische Entwicklung und die Möglichkeiten totaler Bedrohung zwingen, nicht nur militärische Informationen zu sammeln, sondern auch politische, wirtschaftliche, technische und wissenschaftliche Faktoren in Rechnung zu stellen.

[Das Spionagenetz im Ausland - "Argus"]
Das zweite Netz soll operativ-taktische Nachrichten in den grenznahen Räumen für die Bedürfnisse des Armeekommandos und der Kommandanten der Grossen Verbände beschaffen. Seine Nachrichtenquellen wären mehrheitlich Auslandsschweizer, die in den betreffenden Beschaffungsräumen wohnen.

3. Diese Organisation muss von Anfang an nach den Prinzipien der höchsten Geheimhaltung arbeiten. Das setzt auch besondere Kanäle der Finanzierung voraus, als unabdingbare Voraussetzung, dass sich Regierung und Armee bei allfälligen Pannen von der Organisation distanzieren können. In Friedenszeiten soll das Risiko grundsätzlich in tragbaren Grenzen gehalten werden."

[Pegasus (Organisation P) ab 1978 - wird später "ausserordentlicher Nachrichtendienst"]

Das erstgenannte Netz für strategische Nachrichten wurde "Pegasus"

Pegasus war ein geflügeltes Pferd der griechischen Mythologie [web02].

genannt. Die entsprechenden Aufträge wurden erst 1978 erteilt. Dieses Netz wurde dann durch den "ausserordentlichen Nachrichtendienst" abgelöst.

[Argus soll ein "Schweigenetz" im grenznahen Ausland sein]
Das zweite Netz wurde "Argus" genannt

Argos war in der griechischen Mythologie ein Riese mit 100 Augen am ganzen Körper [web03].

und sollte als "Schweigenetz" aufgebaut werden. Diese Idee eines grenznahen "Schweigenetzes" war nicht neu. Bereits im Jahre 1938 hatte der Generalstabschef der Nachrichtensektion den Auftrag gegeben, zum [S.235]

Zwecke der Sicherung der Schweiz gegen einen Überfall in einem 30-100 km breiten Streifen jenseits der Schweizergrenze ein Netz schweizerischer Vertrauensleute aufzubauen, mit dem Truppenverschiebungen vor allem im süddeutschen Raum rechtzeitig hätten erfasst werden sollen.

2.2.2.2 Information der Militärdelegation des Bundesrates

Am 25. März 1975 behandelte die Militärdelegation des Bundesrates unter anderem Fragen des Nachrichtendienstes. Im Anschluss an diese Aussprache erhielt Generalstabschef Vischer (1972-1976 [web03]) den Auftrag, ein Arbeitspapier zu diesem Thema auszuarbeiten.

Generalstabschef Jakob Vischer
                1972-1976  Bundesrat und
                Verteidigungsminister Gnägi, Portrait 1971
Generalstabschef Jakob Vischer 1972-1976 [5] reicht bei Bundesrat und Verteidigungsminister Gnägi [3]
ein Memorandum über "Lücken im Nachrichtendienst" ein

Am 4. August 1975 reichte Generalstabschef Vischer ein an den Vorsteher des EMD (Gnägi, 1968-1979 [web04]) gerichtetes Memorandum ein über "Lücken im Nachrichtendienst", das neben anderen folgende Anträge enthielt:

[1. Nachrichten zur "globalen Strategie"]
"1. Schaffung einer Organisation zur geheimen Beschaffung militärstrategischer und wirtschaftlicher Nachrichten aus den Schwergewichtsbereichen der globalen Strategie."

[2. "Nachrichten aus dem grenznahen Raum"]
"2. Schaffung einer Organisation zur geheimen Beschaffung operativer Nachrichten aus dem grenznahen Raum."

Der Generalstabschef wies am 18. August 1975 vor der Militärdelegation ergänzend darauf hin, "dass es eine Ermessensfrage sei, wie weit man in diesem Bereich mit der Einbeziehung der politischen Behörden gehen wolle beziehungsweise gehen müsse. Es sei vielfach besser, dieselben herauszuhalten und nicht direkt mit der Verantwortung zu belasten" (Protokoll der Sitzung vom 18. August 1975). Die Militärdelegation war grundsätzlich mit den Anträgen einverstanden, wollte jedoch prüfen, wie weit das EMD oder der Gesamtbundesrat damit befasst werden müsse.

Rudolf Gnägi (Bundesrat und
                Verteidigungsminister der Schweiz 1968-1979), Portrait
                1971
Rudolf Gnägi (Bundesrat und Verteidigungsminister der Schweiz 1968-1979), Portrait 1971 [3]

An der Sitzung vom 28. Juni 1976 genehmigte die Militärdelegation des Bundesrates einen Entwurf vom 4. Juni 1976 für ein Schreiben des EMD an alle Mitglieder des Bundesrates. In diesem Entwurf wurden die "Schaffung einer Organisation zur geheimen Beschaffung militärstrategischer und wirtschaftlicher Nachrichten aus den Schwergewichtsbereichen der globalen Strategie" sowie die "Schaffung einer Organisation zur geheimen Beschaffung operativer Nachrichten aus dem grenznahen Raum" erwähnt. In der letzten Zif- [S.236]

fer legte der Chef des EMD "Wert darauf, die Erhöhung des Nachrichtenkredites ihrer grundsätzlichen Bedeutung wegen im Bundesrat zur Diskussion zu stellen". In der Folge verzichtete aber das EMD darauf, diesen Brief zu senden. Die Gründe dafür gehen aus den Akten nicht hervor. Generalstabschef Senn (1977-1980 [web03]) führte vor der PUK EMD aus:

Generalstabschef Hans Senn
                1977-1980
Generalstabschef Hans Senn 1977-1980 [6]

"Die Militärdelegation des Bundesrates hat offensichtlich allen Vorschlägen des Generalstabschefs zugestimmt; denn sie wurden in die Tat umgesetzt. Für den besonderen Nachrichtendienst kam man offenbar überein, die Verantwortung dafür dem Unterstabschef Nachrichtendienst und Abwehr zu überlassen. Bundesrat und Generalstabschef sollten nicht involviert werden, um im Fall einer Panne Landesregierung und Armeeleitung heraushalten zu können. Alle Vorbereitungen sollten streng geheim bleiben."

[Ende 1978: Die kriminelle, schweizer Spionage im Ausland fliegt auf]

Das Netz "Argus" wurde ab Ende 1976 aufgebaut, 1978 aber aufgegeben, weil sich Probleme mit Nachbarstaaten ergaben.

2.2.2.3 Anonyme [?] Studie für einen geheimen Nachrichtendienst - [1977 - Grundprinzipien]

In den Akten Bachmanns befindet sich eine Studie vom Dezember 1977 mit dem Titel "Grundsätzliche Überlegungen zu einem Geheimen Nachrichtendienst". Aus dem Dokument gehen weder Autor noch Auftraggeber hervor. Die Studie hatte keine weitere Folge. Sie enthält aber verschiedene Aussagen und Ideen, denen die PUK EMD anlässlich ihrer Untersuchung immer wieder begegnet ist:

- Prinzip der Abstreitbarkeit:
"Der Geheime Nachrichtendienst ist eine Geheimorganisation, folglich existiert er nicht. Seine Existenz wird formell nie zugegeben."

- Ablehnung der parlamentarischen Kontrolle:
"Geheime Nachrichtenangelegenheiten dürfen nie Gegenstand von Diskussionen in öffentlichen oder nicht-öffentlichen Parlamentssessionen sein." [S.237]

- Neutralisierung der Verwaltungskontrolle:
"... müssen Sonderanordnungen für eine geheime Administration und Finanzierung des Geheimdienstes durch besonders 'indoktrinierte' Sachbearbeiter in den Personal-, Finanz- und Steuerämtern und anderen Zweigen der Verwaltung: getroffen werden."

- Einbezug der obersten Exekutivgewalt:
"Angesichts der politischen Auswirkungen ... muss der, Geheimdienst seine Legalität vom Bundesrat herleiten. Es genügt keinesfalls, seine Amtsgewalt z.B. im Generalstabschef oder im Chef des EMD zu begründen ohne Vorwissen und Zustimmung des Bundesrates."

- Unter dem Titel "Ein Wort zum Schluss" heisst es:
"Ein Schweizerischer Geheimdienst könnte mit dem grossen Vorteil anfangen, dass die übrige Welt wahrscheinlich der Meinung wäre, die Schweiz befasse sich nicht mit Spionage. Dazu käme noch, dass ein Neutraler im allgemeinen weniger Misstrauen erregt als etwa ein Angehöriger eines NATO-Staates. Die Schweiz hätte überdies Agentenanwärtern einige sehr überzeugende Beweismittel anzubieten: politisches Asyl, Bankgeheimnis und Sicherheit. Bei der Anwerbung könnten dies wichtige Beweggründe sein."

2.2.2.4 Projekte PANA und PEGASUS

Aufgrund eines Auftrages des Unterstabschefs Nachrichtendienst und Abwehr, Divisionär Ochsner, arbeitete Oberst Bachmann zwei Varianten für eine Nachrichtenorganisation aus: die eine trug den Namen "Privater Auslandsnachrichtendienst (PANA)", die andere wurde "Organisation PEGASUS", später Organisation "P" genannt. Die Konzeption "PEGASUS" sah vor, dass die Organisation "alle jene Aufträge im In- und Ausland ausführt, die ein besonderes Sicherheitsrisiko bedeuten" (Ziff. 2.12). Nach Ziffer 5.3 sollte der Chef der Organisation "P" "... Verletzungen von untergeordneten Rechtsgütern dann anordnen, wenn die Erfüllung des Auftrages auf anderem Wege nicht möglich ist".

Mit Brief vom 30. April 1979 erteilte Divisionär Ochsner Oberst Bachmann den Befehl, die Variante "PEGASUS" weiter zu verfolgen und die entsprechenden Unterlagen auszuarbeiten. [S.238]

Divisionär Richard Ochsner,
                Portrait
Divisionär Richard Ochsner, Portrait [4]

2.2.2.5 Die Schaffung des ausserordentlichen Nachrichtendienstes - [Entwurf für einen "AOND" 1979 - Pegasus wird AOND]

Bei den im EMD [Schweizer Militärdepartement] deponierten Handakten von Oberst Bachmann befindet sich ein Entwurf vom 11. Juni 1979 für einen Antrag des "Eidgenössischen Militärdepartementes an den Bundesrat betreffend Schaffung eines ao. [ausserordentlichen] Nachrichtendienstes (AOND)". Was mit diesem Entwurf geschah, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Ziffer 1 des Entwurfs lautet:

"1. Gestützt auf Art. 102, Ziffern 9 und 12 der Bundesverfassung und in Ergänzung der Dienstordnung des Militärdepartementes bezüglich der Aufgaben des Generalstabschefs wird ein ausserordentlicher Nachrichtendienst (AOND) geschaffen."

Ein formeller Antrag wurde vom EMD offenbar nicht gestellt (vgl. Ziff. 2.2.2.2). Divisionär Ochsner erliess am 6. August 1979 provisorische Weisungen für den Aufbau und den Betrieb des ausserordentlichen Nachrichtendienstes. Die Organisation "P" [Pegasus] wurde aufgelöst beziehungsweise in den ausserordentlichen Nachrichtendienst überführt.

[1979: Generalstabschef Senn schildert die "Arbeitsmethoden" beim "Ausserordentlichen Nachrichtendienst" - Millionen werden für Spionage verschwendet]

Am 5. September 1979 orientierte Generalstabschef Senn den Gesamtbundesrat mündlich über die Widerstandsorganisation und den ausserordentlichen Nachrichtendienst. In seinem Referatstext "Probleme der Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr" wurde unter Ziffer 5.2. "Der Ausserordentliche Nachrichtendienst (AOND)" ausgeführt:

"Die Beschaffung von Auslandnachrichten auf militärischem und, soweit strategisch relevant, auf politischem, wirtschaftlichem und technischem Gebiet kann nur bis zu einem durch das Risiko bedingten Masse durch die ordentlichen Nachrichtenbeschaffungsorgane durchgeführt werden. Wer mehr will, muss auf eine besondere Beschaffungsorganisation ausweichen, deren Eigenarten wie folgt beschrieben werden können:

- Arbeit in völliger Anonymität
- Befähigung zur Übernahme aussergewöhnlicher Risiken
- Tätigkeit unter Verwendung von unkonventionellen Mitteln und Methoden
- Möglichkeit der Ableugnung einer Verbindung zur Staats- und Armeeführung (Abstreitbarkeit) [S.239].

Nach der prinzipiellen Orientierung der Militärdelegation durch den früheren Generalstabschef im Jahre 1975 (Vischer 1972-1976 [web05]) wurden die ersten Ausbauschritte gemacht. Heute laufen Ausbildung und Einsatz des Ausserordentlichen Nachrichtendienstes sozusagen im Versuchsbetrieb. Die Angehörigen des getarnten, mehrfach abgeschirmten Beschaffungsapparates arbeiten voll- oder nebenamtlich, im Privatvertragsverhältnis oder unentgeltlich. Die durch die Eidgenössische Finanzkontrolle überprüften Auslagen beliefen sich 1977 und 1978 auf Fr. 400'000.— bzw. Fr. 700'000. —.  1979 ist mit jährlich Fr. 900'000.—, in der Folge ansteigend bis 1984 jährlich ca. 2,4 Mio zu rechnen.

[Vorschlag eines Aufsichtsrats]

Die einer solchen Organisation innewohnenden Gefahren verlangen besondere Kontrollmassnahmen. Ein Aufsichtsrat hat dafür zu sorgen, dass der AOND im Rahmen seiner Aufträge arbeitet, die Mittel entsprechend einsetzt und die eingegangenen Risiken überschaubar bleiben."

[Die Regierung sagt nichts dazu - was als "Zustimmung" interpretiert wird]

Der Gesamtbundesrat

Ergänzung: mit Bundesrat Gnägi als Verteidigungsminister [web04] und mit Kurt Furgler im Justizdepartement [web06] (Kurt Furgler war ein klarer schweizer Nazi mit Gummigeschossen, Präventivstrafen, Sippenhaft und Erfindung von Haftgründen und Urteilen gegen "Linke" und "Alternative")

nahm vom Referat ohne Diskussion oder Meinungsäusserung Kenntnis, was gemäss Generalstabschef Senn - und laut anderen hochrangigen Militärs - der Praxis entsprechend als "grünes Licht" interpretiert wurde (vgl. Ziff. 1.2.4).

2.2.3 Bericht der Arbeitsgruppe Bachmann der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates 1980/1981 - [Bericht von 1981 "Angelegenheit Oberst Bachmann"]

[1990]: Vor der PUK EMD erklärte Oberst Bachmann als Zeuge, zu seiner Zeit [bis 1979] sei der ausserordentliche Nachrichtendienst operativ, das heisst unter Inkaufnahme höherer Risiken und Bruchs fremden Rechts, tätig gewesen. Vielleicht ein Dutzend mal pro Jahr seien Agenten in seinem Auftrag im Ausland eingesetzt worden. Ende November 1979 wurde der Einsatz von Kurt Schilling bekannt, der im Auftrag von Oberst Bachmann in Österreich Manöver beobachtet hatte und dabei festgenommen worden war (vgl. Ziff.!1.2.5). In der Folge musste Oberst Bachmann die Leitung des ausserordentlichen Nachrichtendienstes abgeben. Die Arbeitsgruppe Bachmann der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates, die sich 1980/1981 intensiv mit der Angelegenheit Schilling/Bachmann auseinandergesetzt hatte, veröffentlichte ihre [S.240]

Feststellungen und Wertungen in Bezug auf den ausserordentlichen Nachrichtendienst im Bericht "Angelegenheit Oberst Bachmann" vom 19. Januar 1981. Im publizierten Bericht wurde der ausserordentliche Nachrichtendienst aus Geheimhaltungsgründen als besonderer Nachrichtendienst bezeichnet. Die wichtigsten Feststellungen dazu sind folgende (Ziff. 232):

["Nachrichtenlücken" füllen - Verletzung fremden Rechts überall - "erhöhtes Risiko" wird in Kauf genommen]

"Der besondere Nachrichtendienst bildete eine Parallelorganisation zur Sektion Nachrichtenbeschaffung der UNA [Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr]. Während diese [die UNA] alle jene Nachrichten beschaffte, die aus öffentlich zugänglichen Quellen oder mit geringem Risiko erhältlich sind, dient der besondere Nachrichtendienst [ausserordentliche Nachrichtendienst] zur Nachrichtenbeschaffung mit erhöhtem Risiko. Schon in Friedenszeiten wird diese Form der Nachrichtenbeschaffung benötigt, um die letzten und entscheidenden Nachrichtenlücken zu füllen. Wenn die öffentlichen und halböffentlichen Quellen im Krisen- und Kriegsfall versiegen, so kann sich die Bedeutung dieser Nachrichten noch stark erhöhen.

Zwar bringt die besondere Nachrichtenbeschaffung eine beträchtliche Gefahr für die Beteiligten, da nötigenfalls die Verletzung fremder Rechtsordnungen mit allen ihren Folgen in Kauf genommen wird. Sie ist daher nicht leichthin auszuüben. Diese Form der Beschaffung von Nachrichten kann jedoch bei erhöhter Bedrohung für die rechtzeitige Vorwarnung sehr wichtig sein.

Der Bund ist somit zum Teil auf Nachrichten angewiesen, die nur mit erhöhtem Risiko beschafft werden können. Diese Nachrichtenbeschaffung ist notwendiger Bestandteil der Landesverteidigung und steht daher nicht im Konflikt zur Neutralitätspolitik. Die Funktion des besonderen Nachrichtendienstes wird daher von der Arbeitsgruppe als notwendig und gerechtfertigt angesehen. Die Probleme liegen in der bisherigen Organisation und im Personellen."

[Spitzel-Oberst Bachmann ist Chef beider Geheimdienste - der Trick der "privaten" Anstellung soll Rechtsbrüche ermöglichen]

Der Bericht zeigt, dass man sich in der Arbeitsgruppe der Problematik des Bruchs fremder Rechtsordnungen bewusst war. Die Arbeitsgruppe wünschte eine noch weitergehende, vollständige Privatisierung des ausserordentlichen Nachrichtendienstes. Mit den Rechtsproblemen, insbesondere der Frage nach der rechtlichen Grundlage, befasste sie sich aber nicht näher. Dies erklärt sich einerseits mit ihrer Aufgabenstellung und Blickrichtung. Hauptstossrichtung waren die personellen und strukturellen Probleme, speziell die Person Oberst Bachmanns und seine Doppelfunktion als Chef beider Geheimdienste. Andererseits glaubte man, durch eine [S.241]

verstärkte Privatisierung des ausserordentlichen Nachrichtendienstes, durch eine Ausgliederung, durch privatrechtliche Anstellungsverhältnisse und einen Aufbau nach dem Milizprinzip allfällige politische oder rechtliche Konflikte vom Staatswesen fernhalten zu können.

Die Arbeitsgruppe Bachmann übermittelte einen Teil der gewonnenen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen in einem geheimen Bericht dem EMD direkt (Verteidigungsminister Chevallaz 1980-1983 [web04]). Laut offiziellem Bericht seien darin zahlreiche geheime und streng geheime Informationen enthalten. Ein Einblick in die Akten offenbarte der PUK EMD jedoch, dass sich diese Informationen praktisch ausnahmslos auf die Erledigung der verschiedenen Verfahren gegen Mitarbeiter der UNA und der als problematisch eingestuften weiteren Arbeitsverhältnisse bezogen. Weitere, insbesondere mündliche Berichte sind dem EMD nach Angaben der Arbeitsgruppe nicht erstattet worden; es ist deshalb davon auszugehen, dass der offizielle Bericht die damals vorhandenen Arbeitsergebnisse enthält.

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Quellen
[web01] http://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Labhardt
[web02] Pegasus, geflügeltes Pferd der griechischen Mythologie: http://de.wikipedia.org/wiki/Pegasos_%28Mythologie%29
[web03] Generalstab Schweiz: http://de.wikipedia.org/wiki/Generalstab_(Schweiz)
[web04] EMD Schweiz: http://de.wikipedia.org/wiki/Eidgenössisches_Departement_für_Verteidigung,_Bevölkerungsschutz_und_Sport
[web05] Generalstabschefs Schweiz: http://www.sieber-online.ch/artillerie/armee/generalstabschef.htm
[web06] Justizdepartement der Schweiz: http://de.wikipedia.org/wiki/Eidgenössisches_Justiz-_und_Polizeidepartement
[web07] Die Chefs des schweizerischen Nachrichtendienstes: http://www.sieber-online.ch/artillerie/armee/chef_Na_D.htm


Fotoquellen
[1] Der Spitzel-Oberst Bachmann am Telefon: http://www.20min.ch/news/dossier/schmid/story/29345133
[2] Divisionär Weidenmann, Portrait (1967-1977): http://www.sieber-online.ch/artillerie/armee/chef_Na_D.htm
[3] Bundesrat Rudolf Gnägi, Portrait 1971: http://www.autographenderschweiz.ch/index.php?id=12&agid=433
[4] Divisionär Ochsner, Portrait: http://www.sieber-online.ch/artillerie/armee/chef_Na_D.htm
[5] Generalstabschef Jakob Vischer 1972-1976: http://www.sieber-online.ch/artillerie/armee/generalstabschef.htm
[6] Generalstabschef Hans Senn 1977-1980: http://www.sieber-online.ch/artillerie/armee/generalstabschef.htm


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