15.
Schnurren und Schwänke
Tätlichkeit
Der leibeigene Baselbieter
[Basel: Ein Basler Hutmacher bedrängt einen
Stickerei-Sticker aus der Region Läufelfingen - und die
Antwort ist ein Kinnhaken]
Ein Posamenter [Stickerei-Sticker] aus dem Homburgertal
[Region Läufelfingen] musste einmal in Basel auf den Empfang
einer Rechnung Seide warten und spazierte während dieser
Zeit in der Stadt herum. So geriet er in den Laden eines
Hutmachers und sah diesem bei der Arbeit zu. Der Hutmacher
begann ein Gespräch und erinnerte den Posamenter daran, dass
er eigentlich sein Leibeigener sei. Dieser, ein etwas
einfältiger Mann, fragte aber: "Jä, was isch das, e
Lybeigene?" Darauf explizierte der Hutmacher: "Loset, i will
der Fall setze, mer wirde-n-e Rais mache mitenander und es
frierti mi an d'Fiess, so kennti eich der Lyb uffschnyde und
d'Fiess drinne werme." Der Posamenter aber meinte: "Jo, wenn
di liess!" "Jä, was wete-n-er mache?", fragte mehrere Male
der gnädige Stadtbürger und rückte seinem Untertanen immer
näher auf den [S.142] Leib. Dieser zog sich bis an die Türe
zurück und sagte endlich: "I miech numme-n-eso!", gab den
Hutmacher mit der Faust einen Stoss unter das Kinn, dass er
wie ein Hühnlein in eine Ecke fiel und lief so schnell er
konnte, davon. [S.143]
Beleidigungen
Der tolle Friedli von Lupsingen
[Waldenburg (am Hauenstein): Beleidigungen provozieren eine
Prügelstrafe für einen Friedli - da klaut sich Friedli einen
Schinken]
Der tolle Friedli hatte immer etwa Reibereien und kleinere
Händel, weshalb er sich oft auf dem Schloss Waldenburg zu
verantworten hatte. Nun gehörte bei ihm auch der Landvogt zu
den Leuten, auf die er einen Groll hatte. Als ihm einst zu
Ohren kam, der Landvogt habe ihn in Waldenburg im Beisein
anderer einen Flegel gescholten, sagte er: "Wenn ich ein
Flegel bin, so ist der Herr Landvogt ein Kornhammer", was
wiederum ein Verhör nach sich zog. Der Vogt liess ihm durch
den Profossen [Strafrichter vom Militär] eine Tracht Prügel
aufmessen. Der Weg vom Verhörzimmer führte Friedli durch die
Küche, wo er im Vorbeigehen einen grossen Schinken bemerkte,
den er rasch unter seinen weissen Zwilchrock steckte, worauf
er geduckt den Berg hinuntertrippelte. Da rief ihm der Vogt
aus dem Fenster nach: "Gelt, Friedli, jetzt habt ihr euren
Teil?" - "Jo, Herr Landvot, i ha wenigschtens 14 Tag z'ässe
dra." [S.143]
Prophezeiungen
Der graue Fritzenhans
[Ziefen (Region Reigoldswil): Die Prophezeiungen des Sehers
"Fritzenhans": Autos mit Motor und Lampen - Kaiserreiche und
Kommunismus]
Wenn die Ziefnermannen in der Barbierstube auf der langen
Bank beieinander sitzen, die Pfeife im Mund halten und
vergnüglich den Rauchwolken nachblicken, oder wenn sie zur
Winterszeit im Walde draussen gmeinwerken und beim
Zobennehmen [Abendbrot] um das Feuer hocken [S.143], dann
geben sie allerlei Spässe zum besten und kommen wohl auch
auf den "grauen Fritzenhans" zu sprechen. Das ist eine
sagenhafte Figur. Man weiss von ihm nur vom Hörensagen. Wann
der "graue Fritzenhans" gelebt hat, wusste nicht einmal der
alte Schnyderpeter, der doch 96 Jahre alt geworden war.
Sicher ist der "graue Fritzenhans" der Ur- wenn nicht der
Ururgrossvater des alten Fritzenhans gewesen, den die
meisten Leute schon nicht mehr gekannt haben.
Dieser "graue Fritzenhans" war ein Seher oder Prophet. Er
verkündete, dass eine Zeit kommen würde, da die Wagen nicht
mehr von Pferden gezogen, sondern aus eigener Kraft,
rauchend und mit glühenden Augen durch die Berge fahren
würden. Hat er nicht recht gehabt? Sein Seherblick schaute
aber noch anderes in der Zukunft. Hört nur:
Es git e Zyt, dass [der Fantasie]-Gott erbarm,
Do chunnt der Rych und frisst der Arm, [Kaiserreiche]
Do chunnt der Arm und frisst der Rych, [Revolution und
Kommunismus]
Dernoh hei s'all bed glych.
Eine noch dunklere Prophezeiung lautet: Es wird eine Zeit
kommen, da sich der Bauer nicht mehr wehrt "bim Chärne,
erscht bim Spreuer, wenn nüt meh syg." [S.144]
Ein Psychotest
Unnötige Gespensterfurcht
[Titterten (bei Reigoldswil): Ein Grossvater macht einen
Test, ob junge Leute mit einem Mehlsack auf dem Rücken Angst
vor einem Seufzen hinter einer Hecke haben]
Über den Rücken des Titterter Marchhügels, gerade dort, wo
der Bannstein steht, zog sich früher ein Grünhag [Hecke]
dahin. Jene Stelle, wo der Weg den Hag durchschnitt, war als
ungehürig verrufen, weil dort ein Galgen gestanden [S.144]
hatte. Einmal an einem Samstagabend musste mein Vater in
Reigoldswil einen Sack voll Mehl holen. Der Grossvater ging
ihm bis an diesen Grenzhag entgegen und wartete dort auf
ihn. Er wollte sehen, ob sein Sohn Furcht zeige und legte
sich darum hinter den Hag. Als er dann einen Mann schwer
keuchend heransteigen hörte, fing er an zu seufzen und zu
gruchsen [stöhnen?]. Da beschleunigte der Herannahende seine
Schritte und eilte, weder nach links noch nach rechts
blickend, an der ungemütlichen Stelle vorbei, so gut es ihm
mit seiner schweren Last möglich war. Der so rasch dem Dorfe
Zustrebende war aber nicht der Erwartete, sondern ein
Nachbar. Erst nach einer Weile hörte man abermale einen
herankeuchen. Neuerdings fing der Grossvater an, seine
klagenden Laute auszustossen. Diesmal aber stellte der
Ankömmling, welcher eben der Erwartete war, sein Räf auf den
Boden und ging hinter den Hag, um der Ursache der seltsamen
Laute nachzuforschen.
Die Beherztheit seines Sohnes freute den Grossvater, und
munter schritten die beiden dorfwärts. Mit Ergötzen vernahm
der Sohn die Geschichte von dem furchtsamen Nachbarn. Am
nächsten Nachmittag war im Schulhäuslein
Gemeindeversammlung. Es traf sich, dass der Grossvater
gerade neben den Genarrten zu sitzen kam. Als dieser einmal
hinausschaute und sah, wie es draussen in Strömen regnete,
bemerkte er:
"I ha's dänkt, s'wärd eso cho. Das het geschter z'nacht
wieder gar dunnerschiessig gmuchset hinder dem Hag." Der
Grossvater konnte sich darauf des Lachens nicht erwehren.
Der Nachbar aber hatte zu der ausgestandenen Angst nun auch
noch den Spott zu tragen. [S.145]
Ein schwarzer Riese ist ein brennender Baum
Der schwarze Mann
[Buus (Region Rheinfelden): Ein schwarzer Riese mit einer
Feuerzunge ist ein hohler Baum mit glühenden Kohlen drin]
Der ehemalige [Jesus-Fantasie]-Pfarrer von Buus, G.
Rothpletz, erzählte bei einem Abendsitze folgende
Begebenheit:
Vor einigen Jahren, zur Herbstzeit, geschah es, dass ich mit
dem Lehrer über den Berg heimkehrte, als schon längst die
dunkle Nacht eingebrochen war. Da stand plötzlich ein
schwarzer Riese vor uns, als wir da ankamen, wo der Weg um
eine Waldecke biegt. Aus dessen weitem Maule fuhr ungefähr
in gleichen Zwischenräumen eine ellenlange Zunge hervor, wie
weiland dem Lällenkönig zu Basel. Bei diesem War's eine
blutige gewesen, bei unserm Riesen auf dem Berge aber eine
feurige, welche die nächste Umgebung jeweils auf Augenblicke
fürchterlich erleuchtete.
"Lehrer, was mag das sein?" fragte ich meinen Begleiter, der
wie ich, durch das plötzliche Auftreten des Ungetümes etwas
betreten war. "In solchen Fällen untersucht!" entgegnete er.
"Das ist mein Leibsprüchlein in der Schule, wenn es sich um
Spukgeschichten handelt; und mit diesem habe ich in unserer
Gemeinde so ziemlich alle Gespenster, die sich sonst früher
nicht selten sehen liessen, ausgetrieben." "Also vorwärts!"
rief ich aus und nach zehn Schritten standen wir vor einem
hohlen Stocke, der in seinem Innern brannte und von Zeit zu
Zeit eine Flamme durch eine obere Öffnung entsandte. Jetzt
erinnerten wir uns im Weitergehen, dass wir heute hier
einige Hirtenknaben getroffen, die in der Nähe ein
Herbstfeuer angezündet und wahrscheinlich aus Mutwillen
glühende Kohlen ins Innere des Baumes geworfen hatten.
[S.146]
"Ja", schloss der [Jesus-Fantasie]-Pfarrer, "in solchen
Fällen untersucht!" und zerdrückte zwischen seinen Fingern
eine der Haselnüsse, die auf dem Tische lagen; denn er war
einer der stärksten Männer der Umgegend. [S.147]
Diebstahl aufgeklärt
Ein Weinbauer als Detektiv
[Münchenstein (bei Basel): Ein Dieb klaut Rebstecken - der
Trick mit Weizenkörnern in den Rebstecken]
Einem Weinbauern in Münchenstein wurden regelmässig
Rebstecken aus seinen Reben entwendet, ohne dass er den
Täter ausfindig machen konnte. Da kam er auf den originellen
Einfall, in viele Stecken oben kleine Löcher zu bohren und
in diese Weizenkörner zu stecken.
Als nach einiger Zeit wieder einige Rebstecken fehlten, so
hielt er Umschau und da entdeckte er bei seinem Nachbarn
zahlreiche derselben, aus welchen just der Weizen grünte.
Er machte den Mann auf diesen Umstand aufmerksam und seit
jener Zeit fehlten ihm keine Stecken mehr. [S.147]
Der Zweitvordere von zwei
E difige Mähder
[ohne Ort: Der Metzger hilft einem Bauern beim Heuen]
Der Metzgerjoggi seit [sagt] zu sym Junge: "De chönntsch
jetz öppe vierzäh Tag durab in Heuet. Bis dörthi cha-n-i die
Sach scho mache und du chönntsch e schöne Batze verdiene."
Wo der Joggeli iweder hei cho isch, frogt ihn der Vatter,
wie's gange syg. "He, ganz guet", het der Joggeli grüehmt,
"und bim Mäihe bi-n-i allewyl der Zweutvorder gsi."
"Jä, wie mänge hei gmäiht?" frogt der Vatter. "He, eusere
zwe." [S.147]
Redensarten
De breichsch's grad as wie der Mutti vo Rieche!
[Oltingen (Region Tecknau):
Wenn jemand zu einer Arbeit kommt, die er nicht gerne tut,
oder wenn es sich sonstwie trifft, dass er zu unpassender
Zeit erscheint, so empfängt man ihn in Oltingen etwa mit den
Worten: "De breichsch's grad as wie der Mutti vo Rieche"
oder "De chunnsch grad rächt wie der Mutti vo Rieche". Nicht
selten liegt in diesem Ausspruch eine versteckte Einladung
zum Zugreifen bei der Arbeit, die man gerade "underhänds"
hat.
Wenn nun aber der Ankömmling zu wissen begehrt, was es mit
diesem "Muttibueb vo Rieche" (Riehen) für eine Bewandtnis
habe, so wird ihm folgende Anekdote erzählt:
Der Muttibueb von Riehen war ein verwachsener Bursche, aber
trotz seiner Missgestalt stets voller Galgenhumor. Er lebte
zu einer Zeit, da es noch üblich war, dass man Fehlbare zur
Bestrafung an den Pranger stellte oder sie öffentlich
auspeitschen liess. Einmal hatte es auch den Mutti wieder
getroffen, dass er eine vorgeschriebene Anzahl Schläge in
Empfang nehmen sollte. Viele Leute eilten in die Stadt, um
diesem Schauspiel zuzusehen. Unterwegs begegneten dem Mutti,
der seine Strafe schon entgegengenommen hatte, ein paar
solche Neugierige, die sich verspätet hatten. Er fragte sie:
"Wo weit-er hi? [Wo wollen Sie hin?]" - "He, uf Basel go
zueluege. Chumm au mit, der Mutti vo Rieche chunnt Streich
über!" Mutti, den sie offenbar nicht kannten, - so weit her
kamen sie - erwiderste Schalkhaft: "Der chömmet z'spot,
s'isch scho verby. I bi grad noh rächt cho, mir het's grad
noh glängt!" [S.148]
S'Schwyzerjeggels Chemi
[Buus (Region Rheinfelden): Der Maurer repariert einen Kamin
- dann stürzt der Kamin zusammen]
"Das isch e-n-ewigs Wäse wie s'Schwyzerjeggels Chemi". Diese
Redensart ist in Buus daheim. Wer sie gebraucht, will aber
damit keineswegs sagen, dass eine Sache, von der man gerade
spricht, ewigen Bestand habe, sondern im Gegenteil, dass ihr
eine recht kurze Lebensdauer vorauszusagen sei. Diese
Redensart gründet sich auf nachstehende Begebenheit:
Schwyzerjeggels Kamin war baufällig geworden, und der gute
Mann musste einen Maurer kommen lassen, der ihm den Schaden
wieder flickte. Nach getaner Arbeit setzten sich die beiden
Männer zum Znüni [Zwischenmalzeit um 9 Uhr]. Da hob der
Maurer an zu rühmen: "Jä, jä, Jeggel, jetz hesch du es ewigs
Wäse mit dym Chemi!" Aber noch ehe sie vom Znünitisch
aufgestanden waren, stürzte das kamin ein! [S.149]
Verwechslungen
E fatali Verwächslig
[ohne Ort: Eine Frau nimmt Speck in die
Jesus-Fantasie-Predigt mit]
E Frau will z'Chilche [zum Jesus-Fantasie-Pfarrer], s'isch
die höchschti Zyt. Si het in der Chuchi Schnitz obgha; jetz
muess si noh gschwind der Späck druf tue. In der
[Jesus-Fantasie]-Chilche will si zum Singe s'Büechli vüre
neh; jetz het si aber e Stück Späck in der Hand;
s'Liederbüechli isch deheime in der Pfanne uf de Schnitze
gläge. [S.149]
Der klappernde Absatz
[Von Rothenfluh (an der Grenze zum Aargau mit dem Fricktal)
nach Oltingen (Region Tecknau) und zurück - und er hatte
Angst vor dem eigenen Schuh
Ein Rothenflüher ging einst nach Oltingen z'Chilt. Als er in
einer Sonntagsnacht spät den schmalen, steilen Fussweg hinab
ins Tal stieg, erschrak er ob einem unheimlich [S.149]
klappernden Geräusch hinter ihm. Er wähnte sich vom Bösen
verfolgt und fing an zu rennen soviel er vermochte. Das
Geklapper aber wurde immer lauter, je ärger der arme Teufel
rannte. In Schweiss gebadet kam er zu Hause in Rothenfluh an
und konnte beim Ausziehen der Schuhe feststellen, dass sich
eine Schuhsohle samt Absatz vom Oberleder gelöst und das
Geklapper zustande gebracht hatte. [S.150]
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