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Sagen der Schweiz: Kanton Basel-Land

15. Schnurren und Schwänke

Tätlichkeit (Basel und Läufelfingen) - Beleidigungen (Waldenburg) - Prophezeiungen (Ziefen) - ein Psychotest (Titterten) - Ein schwarzer Riese ist ein brennender Baum (Buus) - Diebstahl aufgeklärt wegen Rebstecken (Münchenstein) - Der Zweitvordere von zwei (ohne Ort) - Redensarten: Mutti vo Rieche (Oltingen) und reparierter Kamin stürzt zusammen (Buus) - Verwechslungen: Speck und Gesangsbuch (ohne Ort) - klappernder Schuh und böser Geist (Rothenfluh)

präsentiert von Michael Palomino (2023)

aus: Sagen aus Baselland. Lehrerverein Baselland - bearbeitet von Gustav Müller und Dr. Paul Suter - Verlag Landschäftler AG, Liestal 1938
(ohne Laufental, das kam erst 1994 zum Kanton Basel-Land).

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15. Schnurren und Schwänke

Tätlichkeit

Der leibeigene Baselbieter
[Basel: Ein Basler Hutmacher bedrängt einen Stickerei-Sticker aus der Region Läufelfingen - und die Antwort ist ein Kinnhaken]

Ein Posamenter [Stickerei-Sticker] aus dem Homburgertal [Region Läufelfingen] musste einmal in Basel auf den Empfang einer Rechnung Seide warten und spazierte während dieser Zeit in der Stadt herum. So geriet er in den Laden eines Hutmachers und sah diesem bei der Arbeit zu. Der Hutmacher begann ein Gespräch und erinnerte den Posamenter daran, dass er eigentlich sein Leibeigener sei. Dieser, ein etwas einfältiger Mann, fragte aber: "Jä, was isch das, e Lybeigene?" Darauf explizierte der Hutmacher: "Loset, i will der Fall setze, mer wirde-n-e Rais mache mitenander und es frierti mi an d'Fiess, so kennti eich der Lyb uffschnyde und d'Fiess drinne werme." Der Posamenter aber meinte: "Jo, wenn di liess!" "Jä, was wete-n-er mache?", fragte mehrere Male der gnädige Stadtbürger und rückte seinem Untertanen immer näher auf den [S.142] Leib. Dieser zog sich bis an die Türe zurück und sagte endlich: "I miech numme-n-eso!", gab den Hutmacher mit der Faust einen Stoss unter das Kinn, dass er wie ein Hühnlein in eine Ecke fiel und lief so schnell er konnte, davon. [S.143]


Beleidigungen

Der tolle Friedli von Lupsingen
[Waldenburg (am Hauenstein): Beleidigungen provozieren eine Prügelstrafe für einen Friedli - da klaut sich Friedli einen Schinken]

Der tolle Friedli hatte immer etwa Reibereien und kleinere Händel, weshalb er sich oft auf dem Schloss Waldenburg zu verantworten hatte. Nun gehörte bei ihm auch der Landvogt zu den Leuten, auf die er einen Groll hatte. Als ihm einst zu Ohren kam, der Landvogt habe ihn in Waldenburg im Beisein anderer einen Flegel gescholten, sagte er: "Wenn ich ein Flegel bin, so ist der Herr Landvogt ein Kornhammer", was wiederum ein Verhör nach sich zog. Der Vogt liess ihm durch den Profossen [Strafrichter vom Militär] eine Tracht Prügel aufmessen. Der Weg vom Verhörzimmer führte Friedli durch die Küche, wo er im Vorbeigehen einen grossen Schinken bemerkte, den er rasch unter seinen weissen Zwilchrock steckte, worauf er geduckt den Berg hinuntertrippelte. Da rief ihm der Vogt aus dem Fenster nach: "Gelt, Friedli, jetzt habt ihr euren Teil?" - "Jo, Herr Landvot, i ha wenigschtens 14 Tag z'ässe dra." [S.143]


Prophezeiungen

Der graue Fritzenhans
[Ziefen (Region Reigoldswil): Die Prophezeiungen des Sehers "Fritzenhans": Autos mit Motor und Lampen - Kaiserreiche und Kommunismus]

Wenn die Ziefnermannen in der Barbierstube auf der langen Bank beieinander sitzen, die Pfeife im Mund halten und vergnüglich den Rauchwolken nachblicken, oder wenn sie zur Winterszeit im Walde draussen gmeinwerken und beim Zobennehmen [Abendbrot] um das Feuer hocken [S.143], dann geben sie allerlei Spässe zum besten und kommen wohl auch auf den "grauen Fritzenhans" zu sprechen. Das ist eine sagenhafte Figur. Man weiss von ihm nur vom Hörensagen. Wann der "graue Fritzenhans" gelebt hat, wusste nicht einmal der alte Schnyderpeter, der doch 96 Jahre alt geworden war. Sicher ist der "graue Fritzenhans" der Ur- wenn nicht der Ururgrossvater des alten Fritzenhans gewesen, den die meisten Leute schon nicht mehr gekannt haben.

Dieser "graue Fritzenhans" war ein Seher oder Prophet. Er verkündete, dass eine Zeit kommen würde, da die Wagen nicht mehr von Pferden gezogen, sondern aus eigener Kraft, rauchend und mit glühenden Augen durch die Berge fahren würden. Hat er nicht recht gehabt? Sein Seherblick schaute aber noch anderes in der Zukunft. Hört nur:

Es git e Zyt, dass [der Fantasie]-Gott erbarm,
Do chunnt der Rych und frisst der Arm, [Kaiserreiche]
Do chunnt der Arm und frisst der Rych, [Revolution und Kommunismus]
Dernoh hei s'all bed glych.

Eine noch dunklere Prophezeiung lautet: Es wird eine Zeit kommen, da sich der Bauer nicht mehr wehrt "bim Chärne, erscht bim Spreuer, wenn nüt meh syg." [S.144]


Ein Psychotest

Unnötige Gespensterfurcht
[Titterten (bei Reigoldswil): Ein Grossvater macht einen Test, ob junge Leute mit einem Mehlsack auf dem Rücken Angst vor einem Seufzen hinter einer Hecke haben]

Über den Rücken des Titterter Marchhügels, gerade dort, wo der Bannstein steht, zog sich früher ein Grünhag [Hecke] dahin. Jene Stelle, wo der Weg den Hag durchschnitt, war als ungehürig verrufen, weil dort ein Galgen gestanden [S.144] hatte. Einmal an einem Samstagabend musste mein Vater in Reigoldswil einen Sack voll Mehl holen. Der Grossvater ging ihm bis an diesen Grenzhag entgegen und wartete dort auf ihn. Er wollte sehen, ob sein Sohn Furcht zeige und legte sich darum hinter den Hag. Als er dann einen Mann schwer keuchend heransteigen hörte, fing er an zu seufzen und zu gruchsen [stöhnen?]. Da beschleunigte der Herannahende seine Schritte und eilte, weder nach links noch nach rechts blickend, an der ungemütlichen Stelle vorbei, so gut es ihm mit seiner schweren Last möglich war. Der so rasch dem Dorfe Zustrebende war aber nicht der Erwartete, sondern ein Nachbar. Erst nach einer Weile hörte man abermale einen herankeuchen. Neuerdings fing der Grossvater an, seine klagenden Laute auszustossen. Diesmal aber stellte der Ankömmling, welcher eben der Erwartete war, sein Räf auf den Boden und ging hinter den Hag, um der Ursache der seltsamen Laute nachzuforschen.

Die Beherztheit seines Sohnes freute den Grossvater, und munter schritten die beiden dorfwärts. Mit Ergötzen vernahm der Sohn die Geschichte von dem furchtsamen Nachbarn. Am nächsten Nachmittag war im Schulhäuslein Gemeindeversammlung. Es traf sich, dass der Grossvater gerade neben den Genarrten zu sitzen kam. Als dieser einmal hinausschaute und sah, wie es draussen in Strömen regnete, bemerkte er:

"I ha's dänkt, s'wärd eso cho. Das het geschter z'nacht wieder gar dunnerschiessig gmuchset hinder dem Hag." Der Grossvater konnte sich darauf des Lachens nicht erwehren. Der Nachbar aber hatte zu der ausgestandenen Angst nun auch noch den Spott zu tragen. [S.145]


Ein schwarzer Riese ist ein brennender Baum

Der schwarze Mann
[Buus (Region Rheinfelden): Ein schwarzer Riese mit einer Feuerzunge ist ein hohler Baum mit glühenden Kohlen drin]

Der ehemalige [Jesus-Fantasie]-Pfarrer von Buus, G. Rothpletz, erzählte bei einem Abendsitze folgende Begebenheit:

Vor einigen Jahren, zur Herbstzeit, geschah es, dass ich mit dem Lehrer über den Berg heimkehrte, als schon längst die dunkle Nacht eingebrochen war. Da stand plötzlich ein schwarzer Riese vor uns, als wir da ankamen, wo der Weg um eine Waldecke biegt. Aus dessen weitem Maule fuhr ungefähr in gleichen Zwischenräumen eine ellenlange Zunge hervor, wie weiland dem Lällenkönig zu Basel. Bei diesem War's eine blutige gewesen, bei unserm Riesen auf dem Berge aber eine feurige, welche die nächste Umgebung jeweils auf Augenblicke fürchterlich erleuchtete.

"Lehrer, was mag das sein?" fragte ich meinen Begleiter, der wie ich, durch das plötzliche Auftreten des Ungetümes etwas betreten war. "In solchen Fällen untersucht!" entgegnete er. "Das ist mein Leibsprüchlein in der Schule, wenn es sich um Spukgeschichten handelt; und mit diesem habe ich in unserer Gemeinde so ziemlich alle Gespenster, die sich sonst früher nicht selten sehen liessen, ausgetrieben." "Also vorwärts!" rief ich aus und nach zehn Schritten standen wir vor einem hohlen Stocke, der in seinem Innern brannte und von Zeit zu Zeit eine Flamme durch eine obere Öffnung entsandte. Jetzt erinnerten wir uns im Weitergehen, dass wir heute hier einige Hirtenknaben getroffen, die in der Nähe ein Herbstfeuer angezündet und wahrscheinlich aus Mutwillen glühende Kohlen ins Innere des Baumes geworfen hatten. [S.146]

"Ja", schloss der [Jesus-Fantasie]-Pfarrer, "in solchen Fällen untersucht!" und zerdrückte zwischen seinen Fingern eine der Haselnüsse, die auf dem Tische lagen; denn er war einer der stärksten Männer der Umgegend. [S.147]


Diebstahl aufgeklärt

Ein Weinbauer als Detektiv
[Münchenstein (bei Basel): Ein Dieb klaut Rebstecken - der Trick mit Weizenkörnern in den Rebstecken]

Einem Weinbauern in Münchenstein wurden regelmässig Rebstecken aus seinen Reben entwendet, ohne dass er den Täter ausfindig machen konnte. Da kam er auf den originellen Einfall, in viele Stecken oben kleine Löcher zu bohren und in diese Weizenkörner zu stecken.

Als nach einiger Zeit wieder einige Rebstecken fehlten, so hielt er Umschau und da entdeckte er bei seinem Nachbarn zahlreiche derselben, aus welchen just der Weizen grünte.

Er machte den Mann auf diesen Umstand aufmerksam und seit jener Zeit fehlten ihm keine Stecken mehr. [S.147]


Der Zweitvordere von zwei

E difige Mähder
[ohne Ort: Der Metzger hilft einem Bauern beim Heuen]

Der Metzgerjoggi seit [sagt] zu sym Junge: "De chönntsch jetz öppe vierzäh Tag durab in Heuet. Bis dörthi cha-n-i die Sach scho mache und du chönntsch e schöne Batze verdiene." Wo der Joggeli iweder hei cho isch, frogt ihn der Vatter, wie's gange syg. "He, ganz guet", het der Joggeli grüehmt, "und bim Mäihe bi-n-i allewyl der Zweutvorder gsi."

"Jä, wie mänge hei gmäiht?" frogt der Vatter. "He, eusere zwe." [S.147]


Redensarten

De breichsch's grad as wie der Mutti vo Rieche!
[Oltingen (Region Tecknau):

Wenn jemand zu einer Arbeit kommt, die er nicht gerne tut, oder wenn es sich sonstwie trifft, dass er zu unpassender Zeit erscheint, so empfängt man ihn in Oltingen etwa mit den Worten: "De breichsch's grad as wie der Mutti vo Rieche" oder "De chunnsch grad rächt wie der Mutti vo Rieche". Nicht selten liegt in diesem Ausspruch eine versteckte Einladung zum Zugreifen bei der Arbeit, die man gerade "underhänds" hat.

Wenn nun aber der Ankömmling zu wissen begehrt, was es mit diesem "Muttibueb vo Rieche" (Riehen) für eine Bewandtnis habe, so wird ihm folgende Anekdote erzählt:

Der Muttibueb von Riehen war ein verwachsener Bursche, aber trotz seiner Missgestalt stets voller Galgenhumor. Er lebte zu einer Zeit, da es noch üblich war, dass man Fehlbare zur Bestrafung an den Pranger stellte oder sie öffentlich auspeitschen liess. Einmal hatte es auch den Mutti wieder getroffen, dass er eine vorgeschriebene Anzahl Schläge in Empfang nehmen sollte. Viele Leute eilten in die Stadt, um diesem Schauspiel zuzusehen. Unterwegs begegneten dem Mutti, der seine Strafe schon entgegengenommen hatte, ein paar solche Neugierige, die sich verspätet hatten. Er fragte sie: "Wo weit-er hi? [Wo wollen Sie hin?]" - "He, uf Basel go zueluege. Chumm au mit, der Mutti vo Rieche chunnt Streich über!" Mutti, den sie offenbar nicht kannten, - so weit her kamen sie - erwiderste Schalkhaft: "Der chömmet z'spot, s'isch scho verby. I bi grad noh rächt cho, mir het's grad noh glängt!" [S.148]


S'Schwyzerjeggels Chemi
[Buus (Region Rheinfelden): Der Maurer repariert einen Kamin - dann stürzt der Kamin zusammen]

"Das isch e-n-ewigs Wäse wie s'Schwyzerjeggels Chemi". Diese Redensart ist in Buus daheim. Wer sie gebraucht, will aber damit keineswegs sagen, dass eine Sache, von der man gerade spricht, ewigen Bestand habe, sondern im Gegenteil, dass ihr eine recht kurze Lebensdauer vorauszusagen sei. Diese Redensart gründet sich auf nachstehende Begebenheit:

Schwyzerjeggels Kamin war baufällig geworden, und der gute Mann musste einen Maurer kommen lassen, der ihm den Schaden wieder flickte. Nach getaner Arbeit setzten sich die beiden Männer zum Znüni [Zwischenmalzeit um 9 Uhr]. Da hob der Maurer an zu rühmen: "Jä, jä, Jeggel, jetz hesch du es ewigs Wäse mit dym Chemi!" Aber noch ehe sie vom Znünitisch aufgestanden waren, stürzte das kamin ein! [S.149]


Verwechslungen

E fatali Verwächslig
[ohne Ort: Eine Frau nimmt Speck in die Jesus-Fantasie-Predigt mit]

E Frau will z'Chilche [zum Jesus-Fantasie-Pfarrer], s'isch die höchschti Zyt. Si het in der Chuchi Schnitz obgha; jetz muess si noh gschwind der Späck druf tue. In der [Jesus-Fantasie]-Chilche will si zum Singe s'Büechli vüre neh; jetz het si aber e Stück Späck in der Hand; s'Liederbüechli isch deheime in der Pfanne uf de Schnitze gläge. [S.149]


Der klappernde Absatz
[Von Rothenfluh (an der Grenze zum Aargau mit dem Fricktal) nach Oltingen (Region Tecknau) und zurück - und er hatte Angst vor dem eigenen Schuh

Ein Rothenflüher ging einst nach Oltingen z'Chilt. Als er in einer Sonntagsnacht spät den schmalen, steilen Fussweg hinab ins Tal stieg, erschrak er ob einem unheimlich [S.149] klappernden Geräusch hinter ihm. Er wähnte sich vom Bösen verfolgt und fing an zu rennen soviel er vermochte. Das Geklapper aber wurde immer lauter, je ärger der arme Teufel rannte. In Schweiss gebadet kam er zu Hause in Rothenfluh an und konnte beim Ausziehen der Schuhe feststellen, dass sich eine Schuhsohle samt Absatz vom Oberleder gelöst und das Geklapper zustande gebracht hatte. [S.150]




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Quellen


Fotoquellen


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