10.
Andere büssende Geister
Der Geist in der Schmiede zu Muttenz
[Muttenz bei Basel: Schmied-Vater foltert Schmied-Sohn -
Schmied-Sohn bringt Schmied-Vater um - und der Geist wird
in einer Flasche gefangen]
Der Sohn eines Schmieds, schon verheiratet, konnte den
Augenblick nicht erwarten, der ihn in den Besitz des
väterlichen Geschäftes brächte, um so mehr, als er mit
seinem Erzeuger in ständigem Hader lebte. In einer bösen
Stunde brachte er seinen Vater nachts unter einem
Kirschbaum u9m und schleppte die Leiche in einem Sack in
den Rhein, wo er sie versenkte. Von diesem Augenblick an
hatte der Missetäter keine Ruhe mehr, bis er starb. Nach
seinem Tode hörte man in der Schmiede in manchen Nächten
Hammerschläge auf dem Ambos. Des Gespensterwesens
überdrüssig, liessen die spätern Besitzer des Hauses den
Geist durch einen [Jesus-Fantasie]-Kapuziner in ein
Fläschlein bannen und ins Haus einmauern. Von da an hatten
sie Ruhe. Unter dem Baum, wo die Untat geschehen war, sah
man öfters in der Nacht einen Hund mit feurigen Augen
sitzen. [S.91]
Der Sunntigsfrävler z'Brätzbel
[Asp (bei Rothenfluh): Wenn ein Sturm kommt, soll das der
Geist eines Diebes sein]
Me hei öppis Ungrads gha. D'Mueter schickt mi am e Sunntig
z'mittag ufs Asp use go Choschtets (Thymian) sueche. Uf
eimol gköre-n-i öppe 100 Meter obe-n-an mer, z'unterscht
in de Brangfohre, haue, wie wenn me Holz abmacht [Holz
schlägt]. Z'erscht ha-n-i gmeint, i heig mi [S.91] tüscht,
es wärede Buebe sy, wo mit Stäcke an e Stamm schleue
[schlagen]; ha aber dernoh ganz dütlig gkört, wie's macht,
wenn si-e-n-Achs bim Haue im Chlaffe-n-ychlemmt. "Du wit
doch wüsse, wär das isch," ha-n-i dänkt und laufe
dergege-n-yne. Jetz het das Haue-n-ufghört, fot aber e
Stück wyter obe wieder a. E so isch's wyter gange, bis uf
e Brangchopf ufe, ohni ass i dä Frävler emol in
d'Auge-n-übercho hät. Undereinisch fot der Wind afo rusche
und chute [stürmen], es isch mer gsi, es wärd dunkler; i
springe durab und gseh, wie's chohleschwarz chunnt
hindevüre. Es het afe grossi Tröpf ge; i springe was i
vermag, aber jetz fot's afo schütte, wie wenn me Chübel an
Chübel usleerti; s'Wasser lauft mer enandernoh in d'Schueh
abe und abküehlt het's mi, ass i gmeint ha, i chömm der
Ote nimme-n-über. Wo-n-i hei cho bi, het's gheisse, das
syg halt der Sunntigsfrävler gsi; dä heig me früecher
mängisch gkört. [S.92]
Der niesende Geist
[Reigoldswil: Ein Geist wollte erlöst werden]
Ein Mann kam nachts bei der Platte (nördlich Reigoldswil)
vorbei. Da hörte er jemanden niesen. Wie es hierzulande
Brauch ist, rief er: "Hälf der Gott!" Der Unbekannte
musste nun mehrere Male niesen, wobei der höfliche
Reigoldswiler auch immer seinen frommen Wunsch äusserte.
Doch wurde es dem letzteren schliesslich doch zu bunt und
er sagte beim zwölften Male: "Hälfterli am Chopf!" Da
antwortete der Niesende: "Hättest du zu zwölften Male Helf
dir [der Fantasie]-Gott! gesagt, so wäre ich erlöst
gewesen. Jetzt muss ich noch hundert Jahre warten." Und
verschwunden war er. [S.92]
Die Näherin an der Kleberhalde
[Oberdorf (neben Waldenburg): Die Näherin beklaute ihre
Kunden - und der Geist der toten Näherin verlangte, dass
noch Geld verteilt wird]
Es ist schon lange her, da wohnte an der Kleberhalde
(Dorfteil in Oberdorf) eine Näherin. Als sie aber
gestorben war, kam sie jede Nacht wieder, öffnete den
grossen Schrank und schaute immer hinauf. Der Mann der
Verstorbenen bekam Angst und sagte es eines Tages seinem
Nachbarn. Der meinte, er solle doch einmal im Schrank
nachsehen. Da fand er einen Zettel, und dabei lag Geld. -
Nach einer andern Erzählung waren es Stoffresten, welche
die Näherin ihren Kunden vorenthalten hatte. - Auf diesem
Zettel stand, wem dies alles gehöre. Der Mann gab es den
betreffenden Leuten. Darauf kam die verstorbene Frau nicht
mehr zurück, sie hatte ihre Ruhe gefunden. [S.93]
Der Holzhauer in der Lauch bei Eptingen
[Eptingen (am Hauenstein an der Autobahn): Der Geist eines
Holzhauers holzt auch am Sonntag in der Nacht]
"Heit er der Holzhauer au wieder gkört in der Lauch? Jetz
wei mer aber mache, dass mer's noh yne bringe, es chunnt
wieder öppis," het amme [manchmal] der Birchschaggob [der
billige Jakob (Trödelhändler) von Birch] zue mer gseit,
und er het gwöhnlig rächt gha. Wenn me der Holzhauer
gkört, so git's sicher ander Wätter. Aber arig isch's,
dass men-n-ihn am Sunntig z'nacht gkört; me seit, er syg
zu syne Läbzyte gwöhnlig amene Sunntig go holze und mües
jetz zur Strof au noh im Tod wieder cho. S'Zimmers Marti
het gseit, er heig ihn in de-n-achzger Johre-n-einisch
gseh, am Tag bim Holze; es syg es ganz rots, gschwinds
Mannli gsi. Jetz gseh ha-n-ich ihn noh nie, aber gkört
scho mängisch, früecher noh mehr als jetz. [S.93]
Der Hangelibueb
[Hangelifluh (Region Waldenburg): Ein Folter-Geissbub
erhängt sich mit einer Peitschenschnur - sein Geist knallt
mit der Peitsche]
Auf der Höhe des Dielenberges, wo die drei Gemeindebänne
Bennwil, Oberdorf und Niederdorf zusammenstossen, soll es
nicht ganz geheuer sein Steht eine Wetteränderung bevor,
so hört man dort oben jauchzen. Die Leute pflegen dann zu
sagen: "Der Hangelibueb juchzget wieder, s'git ander
Wätter." Mit dem Hangelibueb verhält es sich so:
Vor Zeiten lebte ein roher, gottloser Geissbub, der sich
über alles lustig machte, Ziegen und Kinder quälte.
Jedermann prophezeite ihm ein böses Ende. Die Leute
bekamen recht. An einem Morgen fand man den Hirten, der
sich in der Nähe der Hangelifluh an seiner Peitschenschnur
erhängt hatte. Von da an war es unheimlich an jenem Orte.
Oftmals wurden nächtliche Wanderer, die um Mitternacht
dort oben vorbeikamen, von dem Hangelibueb mit
schrecklichem, wildem Peitschenknallen verfolgt. In zwei
Fällen rannten sich also [auf diese Weise] Geängstigte
zutode. [S. 94]
Der ruhelose Selbstmörder
[Oberdorf: Ein besoffener Knecht zerbricht 3x das Geschirr
und macht Selbstmord - er muss 3x begraben werden]
Ein Krämer zu Oberdorf hatte einmal einen Knecht, der oft
ein Glas über den Durst trank. Dummerweise lag sein
Schlafraum hinter einer Kammer, wo das neue irdene
Geschirr aufbewahrt wurde. Zweimal schon war der Knecht in
seiner Betrunkenheit über die dort aufgespeicherten neuen
Töpfe, Tassen und Teller gestolpert und hatte viele
zerbrochen. Der Meister hatte darum gedroht, er werde ihn
halbtot schlagen, wenn das noch einmal geschehe. Leider
aber kam wieder eine solche böse Nacht. Ärger [schlimmer]
betrunken als je, wankte der Knecht [S.94] durch die
Geschirrkammer, strauchelte und fiel der Länge nach über
das neue Geschirr. Das Klirren der zerbrochenen Töpfe
brachte ihn wieder zur Besinnung. Eingedenk der
angedrohten Strafe kehrte der arme Knecht um und verliess
still das Haus. Grosse Traurigkeit und Ratlosigkeit kamen
über ihn, sodass er sich gegen das Weidental wandte und
dort in seines Meisters Heuscheuerlein seinem Leben ein
Ende setzte.
Ein paar Burschen und Männer trugen seinen Leichnam am
andern Tage auf die Dielenberg-Egg, d.h. auf den Bergkamm
des Dielenberges, wo sie ihn begruben. Doch der Tote hatte
dort keine Ruhe. Als am folgenden Sonntag einige Burschen
über den Dielenberg wanderten, fanden sie die Leiche, die
doch recht tief bestattet worden war, oben auf. Sie
deckten sie wieder zu [sie begruben ihn erneut]; allein
acht Tage später wiederholte sich dasselbe, und erst nach
dem dritten Sonntag hatte der arme Knecht Ruhe gefunden.
[S.95]
E Meineid
[Bretzwil (neben Reigoldswil): Ein reicher Mann beichtet
einen falschen Eid]
Zum [Jesus-Fantasie]-Pfarrer z'Brätzbel isch emol ein vo
de Rychschte us der Gmein cho. Er het ihm bychtet, er heig
e falsche Eid to, zider [seither] heig er kei Ruehi meh;
er göng zwar alli Sunntig z'Chilche und opferi e gross
Gäldstück, aber die Gschicht verfolg ihn Tag und Nacht.
Der Pfarrer het gseit, das syg halt e schwere Fall; er
well bätte für ihn, aber s'ligg halt e bsunders schweri
Strof uf settige Sache. Er sell ihm au s'Verspräche ge,
wenn er im Fall z'erscht stärb, so sell er's ihm, as
Pfarrer, z'wüsse tue, wie-n-er's heig in der andere Wält.
Dä Rych isch neume [irgendwo] gly gstorbe. S'isch noche
[nachher] am e schwüele Summertag [S.95] gsi, der Pfarrer
het gstudiert uf der Laube gege-n-e Balsberg ufe, wo
sälbmol noh offe gsi isch. Do rüeft uf eimol e dumpfi
Stimm vom Chilchhof obenabe: "Einisch gschwore und ewig
verlore!" [S.96]
Der angebrannte Axtstiel
[Oberdorf (neben Waldenburg): Jemand will einen Baum
fällen - ein Fremder hat eine heisse Hand, die Abdrücke an
einem Axtgriff hinterlässt]
Ein Mann aus Oberdorf begab sich ins sogenannte "Tal",
eine muldenartige Vertiefung südlich des Dielenberges.
Dort wollte er auf seinem Acker einen Baum fällen. Wie er
so über das Feld dahinschritt, näherte sich ihm ein Mann,
der sonderbar aussah. Nämlich Gesicht und Kleidung waren
schwärzlichgrau, was den Oberdörfer stutzig machte.
Nichtsdestoweniger wollte ihm der Fremde zum Grusse seine
Rechte reichen. Er aber hielt ihm vorsichtigerweise den
Axthalm entgegen, welchen der Fremde auch ergriff. Als er
ihn wieder losliess, war der Handgriff des Stieles so
stark angebrannt, dass man deutlich den Abdruck der Hand
sehen konnte. Darauf war der hitzige Fremde mit einem Male
verschwunden und der erschrockene Oberdörfer hätte
geschworen, geträumt zu haben, wenn ihn nicht das
eingebrannte Mal eines Andern belehrt hätte.
Wahrscheinlich war ihm ein Geist erschienen, der um irgend
eines Frevels willen büssen musste. [S.96]
Das Imlischberg-Marieli
[Bubendorf (bei Liestal) und Tenniken: Selbstmörderin darf
nicht auf dem Friedhof bestattet werden, sondern bei der
Imlischbergfluh - Wehklagen des Geistes]
Östlich der Hochebene des Bubendörfer Murenbergs liegt der
Imlischberg. Alte Leute erzählen, dass sich dort das
Imlischberg - Marieli zu Zeiten durch Stöhnen, Heulen und
Wehklagen bemerkbar mache. Dies sei, so lautet die Sage,
eine ledige Frauensperson aus Lampenberg gewesen, die vor
vielen Jahren einem drangsalsvollen Leben freiwillig ein
Ende gemacht habe. Da früher Selbstmörder nicht auf dem
Kirchhofe bestattet werden durften, habe der Wasenmeister
von Tenniken die Leiche auf seinen Esel geladen, nach der
Imlischbergfluh geführt und dort bestattet. Jener Ort sei
denn auch der Aufenthaltsort der noch im Jenseits
unglücklichen Abgeschiedenen. [S.97]
Der Räbholdebur
[Ziefen (neben Reigoldswil): Der Rebhofbauer war ein
Räuber und Schadzauberer - und sein Geist findet keine
Ruh: Sein Peitschenknallen verkündet Regenwetter]
Über dem sonnseitigen Abhang des Ziefner Rebberges erhebt
sich die Waldkuppe der Rebhalden [Winzerhöfe] und des
Kreuzholzes. Hier oben ist der Tummelplatz eines Unholdes,
der zu seinen Lebzeiten ein böser und zanksüchtiger Mann
war und zur Strafe seiner Missetaten nach dem Tode noch
umgehen muss.
In stürmischer Nacht, wenn es durch die hohen Föhren da
oben "chutet" [stürmt] wie nirgends sonst, fährt der
Räbholdebur mit schwer beladenem Brückenwagen, der mit
zwei Schimmeln bespannt ist, den Rebhaldenweg entlang. Man
hört seine Peitsche aber noch weiter unten knallen. Er
fährt mit seinen Rossen die Rebgasse hinunter bis ins
Dorf, wo er sie in die Schwenke führt. Sein
Peitschenknallen verkündet zu allen Zeiten den Eintritt
von Regenwetter. Die Erscheinung des Geistes soll nur
Sonntagskindern sichtbar sein.
Von einer Stelle am Rebberg, dem "Heissenstein", der nur
spärlichen Graswuchs zeigt, sagt man, hier habe der
Räbholdebur mit einer silbernen Sense gemäht [S.97]. Es
heisst auch von ihm, er sei ein Wucherer gewesen, der
Witfrauen [Witwen] um Hab und Gut gebracht habe. Nicht
genug damit, dass er zu seinen Lebzeiten sich auf Kosten
anderer bereicherte, auch nach dem Tode spielt er dem und
jenem gerne einen Schabernack. Besonders hat er's auf die
Fuhrleute abgesehen. Und wenn einer noch so erfahren ist
und noch nie ein "Ungfell" hatte, so kann es ihm doch
geschehen, dass ihm die Pferde nicht weitergehen wollen am
Rebhaldenweg, oder dass er zu Fall kommt und unter den
Rädern Schaden nimmt, wenn er die "Mechanik" bedienen
will. [S.98]
Die Kindsmörderin
[Region Bubendorf (neben Liestal): Eine Frau muss am Bach
"Frenke" immer Windeln waschen]
In der Nähe des Hofes Thalhaus zwischen Bubendorf und
Ramlinsburg in unmittelbarer Nähe der Frenkenbrücke
befindet sich eine Quelle, welche aus dem Berginnern
hervorquillt. Die Sage erzählt, dass man dort ab und zu
eine Frau erblicke, welche Windeln wasche. Vor Zeiten habe
eine Korbmacherfamilie mit ihrem Wagen dort gehaust. Bei
der Geburt eines Kindes habe die Mutter böse Gedanken
bekommen und das Kleine getötet. Seit dieser Zeit müsse
sie an jener Quelle die Windeln waschen, wie wenn ihr Kind
noch am Leben wäre. [S.98]
Der Vatermörder
[Region Eptingen (an der Autobahn): Ein Sohn erschlägt
seinen Vater, der landet im Dorfbach in einem
Strudelbecken - der Geist findet keine Ruh und verkündet
mit Glucksen neues Regenwetter]
In der Nähe des Bades Eptingen, wo heute alte Linden
kühlen Schatten spenden, stand früher ein Speicher, der
unsern Vorvätern von einer ruchlosen Mordtat zu erzählen
wusste. An dieser Stelle wurde eines Nachts ein [S.98]
alter Vater von seinem Sohne mit einem "Windelbrittli"
erschlagen. Um den Frevel zu verdecken, schleppte der
Mörder die Leiche an den nahen Dorfbach und warf sie in
eine Gumpe [Strudelbecken], um sich hierauf in Sicherheit
zu bringen. Aber heute noch verrät uns der Dorfbach diese
schauerliche Geschichte. Gar oft hört man des Nachts ein
eigentümliches Gluntschen und Platschen in jener Gumpe,
und jedesmal folgt darauf Regenwetter. [S.99]
Die feurige Hand
[Von Augst (neben Pratteln) nach Frenkendorf (neben
Liestal): Ein Hand brennt ein Loch in einen Kittel]
Um Mitternacht wanderte ein Frenkendörfer von Augst
heimwärts. Bei der Hülftenbrücke vernahm er Schritte
hinter sich. Er wandte sich um, erblickte in der
Dunkelheit aber niemanden. Auf einmal hörte er niesen.
Landesüblich wünschte er "Gesundheit", ebenso ein zweites
Mal. Beim dritten Niesen sagte der erschrockene
Frenkendörfer: "So helfe dir [der Fantasie]-Gott in den
Himmel, wenn es nicht anders sein kann!" Plötzlich spürte
er eine Hand auf der Schulter und eine Stimme sprach: "Du
hast mich erlöst!"
Unbehelligt kam der Frenkendörfer zu Hause an. Am andern
Morgen sah er mit Entsetzen ein handgrosses versengtes
Loch in seinem Kittel, an der Stelle, wo ihn der Fremde
berührt hatte. [S.99]
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