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Sagen der Schweiz: Kanton Basel-Land

9. Von Reitern, Fuhrleuten und Jägern

Schimmelreiter (Tenniken und Zunzgen) - verunglückter Kacheltransport (Reigoldswil) - der Geist eines Furhmanns (Bretzwil) - ein anderer Geist knirscht+stampft im Bachbett (Oberorf) - ein anderer Geist eines Pferdequälers  (Hersberg) - ein grüner Jäger (Waldenburg) - der Geist eines Jägers (Ettingen) - ein anderer Geist eines Jägers verkündet Regen (Füllinsdorf) - Jäger schiesst auf Hase - da steht ein graues Teufelchen (Oltingen) - Fuchsjäger folterte Füchse und hat nach dem Tod keine Ruh (Känerkinden) - Räuber wird nach dem Tod zum Geist in Form eines Jägers (Bruderholz) - Jägergeist verkündet Unwetter (Liedertswil)

präsentiert von Michael Palomino (2023)

aus: Sagen aus Baselland. Lehrerverein Baselland - bearbeitet von Gustav Müller und Dr. Paul Suter - Verlag Landschäftler AG, Liestal 1938
(ohne Laufental, das kam erst 1994 zum Kanton Basel-Land).

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9. Von Reitern, Fuhrleuten und Jägern

Reiter

Schimmelreiter
[Tenniken und Zunzgen (beide Region Sissach): Schimmelreiter erscheinen zu "Feiertagen" in der Nacht]

In der [Jesus-Fantasie]-Weihnachtsnacht reitet aus der Häftleten [Häfleten?] ein Mann mit einem Schimmel. Er führt noch eine Kuh mit sich, die er beim Wasenhaus unterhalb Tenniken verscharrt.

Ein anderer Schimmelreiter erscheint jede Silvesternacht in Zunzgen und trabt durch den Graben zum Bach hinunter. Dort wäscht er sich und verschwindet beim zwölften Glockenschlag wieder im Graben. [S.83]


Transporte (Fuhrleute)

Der Chachelifuhrmann
[Zwischen Reigoldswil und Lauwil verunglückte ein Kacheltransport - und manchmal hört man Gerassel, Klappern, Knirschen und Weinen]

Ein Weg von Reigoldswil zum Bergdörfchen Lauwil führt durch das hübsche, einsame Emlistälchen. Alte Leute erinnern sich noch, dass früher hier das Bächlein stellenweise als Weg benützt wurde, an welche Zeit auch die Sitte älterer Bauern erinnert, beim Heuen die geladenen Schneggen unten besonders gut "auszuputzen". Auf diesem früher primitiven Wege soll einmal ein Geschirrfuhrmann mit seinem Gefährt verunglückt sein. Doch ist der Verunfallte noch nicht zur Ruhe gekommen; denn zu gewissen Zeiten hören Bauersleute, die im Emlistälchen arbeiten, etwa das Gerassel seines [S.83]
fahrenden Wagens und das Klappern der stürzenden Kacheln, ohne dass sie etwas sehen können. Andere wollen auch das Knirschen der Räder und das Weinen kleiner Kinder dabei hören. Kurz nach dieser Erscheinung pflegt sich jeweils starker Gewitterregen einzustellen. [S.84]


Der Riedbergfuhrmann
[Bretzwil neben Reigoldswil: Ein Geist eines Fuhrmanns hat Probleme]

Ein Landwirt aus Bretzwil arbeitete an einem schönen Spätherbsttag allein auf dem Felde. Da hörte er trotz der weiten Entfernung im Riedberg drüben ein Fuhrwerk. Der Fuhrmann trieb mit lautem Geschrei und Fluchen die Pferde an. Die Räder des Wagens knarrten so heftig, dass man glauben konnte, es sei eine schwere Last geladen. Der Lärm und das Gepolter nahmen ständig zu und gingen in ein heftiges Krachen und Getöse über. Der Fuhrmann stiess zuerst entsetzliche Hilferufe, dann markerschütternde Schreie aus. Plötzlich war alles wie abgestellt.

Der Bauer wollte zu Hilfe eilen, denn da war sicher ein Unglück geschehen. Da sah er ganz in der Nähe des vermeintlichen Ortes am Fusse des Berges zwei Bauern ruhig pflügen, die wohl von allem gar nichts gehört hatten. Das kam dem zu Hilfe Eilenden seltsam vor. Er kehrte nach Hause zurück und erzählte den Vorfall seinen Eltern. Sie waren gar nicht verwundert, da man früher oft von diesem Riedbergfuhrmann gehört hatte. Kurz darauf änderte das Wetter und es herrschte während zwei Wochen stürmische, von schweren Regenfällen unterbrochene Witterung. [S.84]


Das Fuhrwerk im Bachbett
[Oberdorf (neben Waldenburg): Der Geist eines Fuhrmanns knirscht und stampft, wo heute ein Bach verläuft]

Die "Schwarzhäuser" unterhalb der ehemaligen Bandfabrik in Oberdorf kehren sonderbarerweise ihre Fensterfront nicht der Landstrasse, wohl aber dem hinten durchfliessenden Frenkenbache zu. Das wundert einen nicht, wenn man weiss, dass die Strasse bis ins 18. Jahrhundert dort durchführte, wo heute der Bach läuft. An jene alte Zeit erinnert auch eine Erscheinung, welche gewisse Bewohner jener Häuser zur Weihnachtszeit schon beobachtet haben wollen. Da soll man im Bach deutlich das Geräusch eines fahrenden Fuhrwerkes gehört haben. Dabei knirschten die Steine des Bachbettes und auch das Stampfen der schwer ziehenden Gäule war hörbar. [S.85]


Der Grammelfuhrmann
[Hersberg mit dem Berg Grammel neben Liestal: Der Geist eines Fuhrmanns, der seine Pferde folterte]

Südlich des Dorfes Hersberg bildet ein langgestreckter Berg, der Grammont (Grammel), die Grenze zwischen den Bännen Liestal und Lausen. Aus dieser bewaldeten Höhe dringt manchmal Peitschenknallen und Fuhrmannsgeschrei bis ins Dörfchen Hersberg herüber. Der Urheber dieses Lärmes ist der Grammelfuhrmann. Er fuhrwerkt so gewaltig, dass er weit herum zu hören ist. Gewöhnlich folgt auf diesen Lärm Regenwetter. "Mer hei der Grammelfuehrme kört, s'git Rägewätter", pflegt man in Hersberg zu sagen. Von dem Fuhrmann aber, der in dem Wald sein Wesen treibt, wird erzählt, er habe zu Lebzeiten seine Pferde gequält und geplagt.

Einmal wollten ein paar beherzte Burschen dem Spuk auf den Leib rücken und folgten dem Lärm. Aber [S.85] sie wurden bös irre geführt, denn immer wieder ertönte das Knallen und das Hü- und Ho-Rufen an anderer, weit entfernter Stelle. [S.86]


Jäger

Der grüne Jäger
[Waldenburg: Ein Jäger lässt sich immer wieder blicken]

Im gebirgigen, waldreichen Bann des Städtchens Waldenburg trieb einst "der grüne Jäger" sein tolles Wesen. Überall wurde er angetroffen. Der eine behauptete, er habe beim Heuen auf der Studenweid den gefürchteten Nimrod [Fantasie-König in der Fantasie-Bibel] oder wenigstens seine grüne Bluse hinter einem Wacholderbusch verschwinden sehen. Ein anderer wollte ihn im Richtacker hinter einem Holderbusch beobachtet haben, ein dritter gewahrte ihn im Gerstel [Gerstenfeld?]. Zu Zeiten, als die Jagd noch nicht offen war, hörte man auch etwa das Horn des sagenhaften Jägers. [S.86]


Der tote Jäger
[Ettingen: Ein Jäger starb am Totenweglein - und sein Geist irrt herum]

In Ettingen wohnte vor vielen Jahren ein Jäger. Nach den einen [die einen sagten] wurde er ermordet, nach andern nahm er sich selbst das Leben. Heute noch kann man ihn im Walde sehen. Mit Vorliebe hält er sich am Totenweglein auf, wo er aus dem Leben schied. Er ist grün gekleidet und führt eine Schar kleiner Hündlein mit sich. Gerne lässt er auch um Mitternacht sein "Hudädä" hören, womit er seine Hunde ruft. [S.86]


Der Elbisjäger
[Füllinsdorf (neben Liestal) mit Brombeeren am Elbisberg: Vor dem Regen kommt noch schnell der Geist des Elbisjägers vorbei]

Eine alte Frau aus Füllinsdorf suchte am Elbisberg Brombeeren. Ein Gewitter war im Anzug, schwarze Wolken überzogen den Himmel und es wurde dunkel. Da hörte sie nahendes Pferdegetrappel und Hundegebell. Schliesslich ritt ein Mann in alter Rittertracht auf [S.86] einem Schimmel in unmittelbarer Nähe vorbei. Er war begleitet von einigen munter kläffenden Jagdhunden. Als die Frau die Erscheinung näher ins Auge fassen wollte, war sie mit einmal verschwunden und es setzte ein heftiger Regenguss ein, der sie zwang, eilends nach Hause zu laufen. [S.87]


S'grau Männli
[Oltingen (Region Tecknau): Jäger schiesst auf Hase - da steht ein graues Teufelchen - und der Jäger hört auf zu jagen]

Ein früherer Oltinger Jäger erzählte: "I bi einischt ufem Astand gsi i der Sennweid obe, grad i der Nöchi vom Bahnstei. Lang isch nüt cho, aber do undereinischt pürzle zweu Tier überenander übere, vor mer zue. I ha se für Hase agluegt, nimme d'Flinte und tätsch! Wo sie der Rauch e chly verzoge gha het und i will luege, öb wenigschtens ein vo dene Kärlene ligg, gsehni niene kei Has meh, derfür stoht es graus Männli vor mer zue, we der Tüfel het's usgseh. En Augeblick ha-n-is agluegt und es isch mer i Sinn cho, ass mer einischt eine gseit het: die Graue sy vill schlimmer as die Schwarze. Item, i ha my Flinte-n-aghänkt, bi d'Eimet ab und heizue so gschwind as i ha chönne. Und jetz wüsset-er, worum [S.87] ass i nümme-n-uf d'Jagd goh. I will nit noh einischt eso öppis erläbe." [S.88]


Der wilde Jäger
[Känerkinden (Region Läufelfingen): Ein Jäger fing Füchse wegen des Fells - sein Geist kommt nicht zur Ruh]

Droben auf dem Hasenflühli, inmitten mächtiger Tannen und Buchen, jagte vor Zeiten ein schmächtiges, dürres Jägerlein. Seine Lust und Freude bestand darin, dass er Füchse fing, ihnen lebendig den Pelz vom Leibe zog und sie wieder laufen liess. Zur Strafe für solch frevelhaftes Tun fand er nach dem Tode keine Ruhe. Sobald sich das Wetter ändert, zeigt er sich beim Hasenflühli, wo er den Füchsen nachjagt. Im Dörflein Känerkinden hört man dann die hohe, kreischende Stimme des Jägers und das Geheul der gequälten Füchse, das einem durch Mark und Bein geht. [S.88]


Die Teufelsjagd
[Bruderholz (Binningen bei Basel): Der Geist eines Räubers ist nun als Jäger verkleidet]

In der Gegend des Bruderholzes lebte vor langer Zeit ein Wilderer. Mit Vorliebe ging er seinem ungerechten Handwerk nach, wenn die Leute in der [Jesus-Fantasie]-Sonntagsmesse waren. Zur Strafe muss er nun als schwarzer Mann mit feurigen Augen, begleitet von einer Schar kleiner Hunde über das Bruderholz jagen. Beim Käppeli kann man das Hussa-Rufen dieser Teufelsjagd hören. [S.88]


Die Wilhaulenjagd
[Liedertswil (zwischen Reigoldswil und Waldenburg) mit der Gemeindeweide mit viel Wild: Der Geist eines Jägers verkündet ein Unwetter]

Liedertswil ist neben Bretzwil und Waldenburg die einzige Ortschaft im ganzen Baselbieter Jura, die noch eine Gemeindeweide besitzt. Zwei Lappen dieser steilen Weide hangen nach Norden ins stille Weigischtälchen herab, einige riesige alte Linden stehen darauf. Die beiden Lappen sind getrennt durch einen mit Wald umstandenen Graben. Das ganze Gelände ist unruhig. Erdrutsche [S.88] waren dort früher keine Seltenheiten. Auch munkelte man vor 50 Jahren, es habe in der Nähe Wildsauen und Bären gegeben. Der Erzähler erinnert sich nur, dass er als Bube daran glaubte und weiss noch genau, dass in den kleinen Kalkflühen bei der Eretsrütti und im Kühweidberg auffallend viele Bussarde und Kauzen, auch Wildtauben horsteten. Alles zusammen also ein richtiges Jagdrevier romantischen Charakters, ein Boden für Sagenbildung.

Der Erzähler war etwa acht Jahre alt und sass eines Winterabends mit seiner älteren Schwester auf der Kunst, schon im Nachthemmli, um noch etwas Wärme für das Bett zu sammeln. Da erschien der Präsident, um mit des Erzählers Vater, der Lehrer und Gemeindeschreiber war, etwas zu besprechen. Die Angelegenheit dauerte nicht lange. Und auf einmal fing der Presi an zu erzählen von einem unheimlichen Erlebnis, das er gestern abend gehabt:

"Ich habe auf Wil [in Liedertswil] das Vieh besorgt. (Vier Liedertswiler hatten damals östlich der Wilhaulen grosse Bergmatten mit Heuscheunen und kleinen Ställen darauf. Das Heu fütterten sie im Spätwinter an Jungvieh, das sie dort oben so lang warteten, bis das Futter zu Ende war). In der Nacht bin ich nach dem Niederhof abgestiegen. Aber es war unheimlich. Schon im Stall war der Teufel los. Die Tiere schlugen aus, fuhren hin und her, brüllten, wollten nicht fressen. Daher blieb ich länger als sonst auf dem Berg. Als ich ins Freie treten wollte, schlug mir ein Sauwind die Stalltüre an den Grind [Kopf] und es kübelte nur so vom Himmel. Ich pressierte. Beim "Höchen Stich" schwenkte ich rechts ab und lief dem Lichs [Lichshübel] zu [S.89]. Aber heiliges Donnerwetter, jetzt kam es, jetzt! Auf einmal konnte ich fast nicht mehr gehen und stehen und es verschlug mir den Atem. Und nun fuhr von der vordern Wilhaulen ein fürchterlicher Sturm daher, ich hörte lautes, wildes Hundegebell, überhaupt einen verfluchten Lärm. Ich denke, die Welt will untergehen.

Da springen Hunde, grosse und kleine, mit feurigen Augen und Mäulern links und rechts an mir vorbei, und plötzlich läuft ein schwarzer, grosser Jäger auch an mir vorüber und ruft etwas. Verstanden hab ich nichts, ich war wie gelähmt und am Umfallen. Und dann fing es an zu regnen und zu tosen, viel ärger als oben bei der Hütte. Die Wilhaulenhunde und der Jäger verschwanden über dem Lichshübel in der Richtung nach dem Heimsten (allein und einsam stehender Bauernhof in einer Mulde östlich des Lichs). Nun konnte ich wieder gehen und schritt heimwärts. Ich spür' es heute noch in allen Gliedern."

Das erzählte der Presi. Die zuhörenden zwei Kinder froren vor Gruseln, ihr Vater lachte leise und sagte: "Aber Presi, ihr werdet doch das nicht glauben! Oder habt ihr das wirklich gesehen und gehört?"

Der Presi beteuerte wiederholt, dass alles pure Wahrheit sei und ging fast ärgerlich fort. Die Kinder fragten ängstlich den Vater, ob es so was gäbe. Er erklärte, alles sei eine Täuschung und sie sollten jetzt ruhig ins Bett gehen und beten. Der Knabe sagte im Bett zur Schwester: "Aber vielleicht hat der Presi die Wilhaulenhunde und den Jäger doch gesehen." Die Schwester erwiderte stolz: "Der Vater wird es denk besser wissen als du." [S.90]


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Quellen


Fotoquellen


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