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Mag-i-no-ko!

Die Schweiz im Zweiten Weltkrieg

5. Guisan-Kult - Spionage - Waffenfabrik in Zürich-Örlikon - Tannenbaumstudien - "Erneuerung" - Reduit - Zerstörungsvorbereitungen - Radio schweigt ab 22 Uhr - Frontistenempfang - "Vorunterricht" - Raubgutverkauf - die Schweiz von August bis Oktober 1940 (02)

Guisan-Kult: General Guisan auf dem
                          Pferd, Postkarte mit Autogramm [3]
Guisan-Kult: General Guisan auf dem Pferd, Postkarte mit Autogramm [3]
Der Sendeturm von Radio Beromünster
                              in Gunzwil, 215 m hoch [6]
Der Sendeturm von Radio Beromünster in Gunzwil, 215 m hoch [6].
Der Mittelwellensender wurde zum Kultobjekt


von Michael Palomino (1998 / 2004 / 2010)

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aus:
-- Hauptquelle: Markus Heiniger: Dreizehn Gründe. Warum die Schweiz im Zweiten Weltkrieg nicht erobert wurde, Limmat-Verlag, Zürich 1989
-- Webseiten


Andauernde Spaltung - Guisan-Kult und Guisans Antisemitismus - Schweiz wird deutsches Spionagezentrum - Zürich-Örlikon als Ziel neuer "Tannenbaumstudien" - "Erneuerungsideen"

Die verschiedenen Gesinnungsgruppen entwickeln sich dermassen, dass diese sich im Militär zum Teil gegenseitig blockieren. Ein Guisan-Kult ist die Antwort auf den Richtungsstreit. Sein Bild hängt in fast jeder schweizer Stube, wie im Reich dasjenige Hitlers (S.213).[94]   In dieser Situation verblasst der Bundesrat. Die Neider werfen Guisan vor, er betreibe einen eigenen "Hofstaat" (S.214).[95] 

3 Beispiele für den Guisan-Kult: Guisan in Öl, Guisan auf dem Pferd mit Autogramm, und ein Guisan-Portrait
General Guisan, Ölbild, Postkarte
                      [2]
General Guisan, Ölbild, Postkarte [2]
General Guisan auf dem Pferd,
                      Postkarte mit Autogramm [3]
General Guisan auf dem Pferd, Postkarte mit Autogramm [3]
General Guisan, Portrait in älteren
                      Jahren [4]
General Guisan, Portrait in älteren Jahren [4]

Dabei hat Guisan im Verborgenen durchaus auch antisemitische Ziele. Er veranlasst innenpolitische Untersuchungen gegen allfällige Juden (S.214), ist Bewunderer Pétains und Mussolinis und gleichzeitig Vizepräsident der Waadtländer "Patriotischen Vereinigung". Pétains Frankreich sei "ein vorbildliches Beispiel" und biete "ein tröstliches Bild" (S.215).[96] 

In Vichy-Frankreich unter Pétain wurden Juden von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, und ab 1942 mussten Juden einen Judenstern tragen [web03]. Das ist schon eigenartig, dass der General dies scheinbar gut fand...

Währenddessen beginnt das Hitler-Regime, die Schweiz noch anderweitig zu nutzen und verlagert das seine Spionagezentren von Holland in die Schweiz (S.145-146).[97]

Am 12.August 1940 wird das Ziel der Tannenbaum-Studien von Solothurn nach Zürich-Örlikon verlegt, wo mit Örlikon-Bührle die grösste schweizerische Waffenschmiede existiert (S.96).[98] 

Waffenfabrik
                Örlikon-Bührle, Logo [1]
Waffenfabrik Örlikon-Bührle, Logo [1]

Ende August treten rechtsgerichtete schweizer Herren aus Handel, Industrie, Politik und Presse mit Bundesrat Wetter und Korpskommandant Wille zusammen. Der Hauptreferent, der Zürcher Industrielle Dr. Fritz Bon, ruft in seiner Rede zur aussenpolitischen Neuorientierung und zur Mässigung auf, was die totale Zensur bedeuten würde. Durch eine "geeinte Schweiz" und eine starke disziplinierte Armee soll die "wirtschaftliche Potenz" erhalten werden (S.208-209).[99] 

Ein weiteres Beispiel ist der deutschfreundliche "Volksbund für die Unabhängigkeit der Schweiz". Er verlangt mit der Unterstützung aus vielen industriellen Kreisen Massnahmen gegen die deutschkritische Presse und aussenpolitische Anpassung. Daraus heraus erfolgt die "Eingabe der 200" an den Bundesrat. Die Hälfte der Unterschreibenden sind Offiziere, ein Viertel Industrielle, ein Sechstel Vermögensmillionäre (S.209-210).[100] 

Diese "Eingabe der 200" waren gar nicht 200, sondern nur 173. Es handelt sich also um die "Eingabe der 173". Diese 173 Personen (natürlich alles Männer) unterschreiben für die Wahrung der Freiheit, für die Pflege guter Beziehungen zu allen Nachbarn, und für die Anpassung der Presse an das Dritte Reich und für eine entsprechende Zensur. Diese 173 Personen (natürlich alles Männer) setzten Leute auf eine schwarze Liste, mit der Forderung an den Bundesrat, dass dieser diese Leute entlassen solle (die Chefredaktoren der NZZ, des "Bunds" (Bern), der "Basler Nachrichten", der "Weltwoche" (Zürich), der "National-Zeitung" (Basel), und der Zeitung "Die Nation" (Bern)). Der Bundesrat beugte sich dem Druck der "Eingabe der 200" nicht, sondern nahm nur mündlich Stellung dazu. Die Namen der Unterzeichner wurden bis nach dem Krieg geheimgehalten [1].

Das Märchen vom sicheren Reduit: Es muss erst noch gebaut werden - die Feldarmee muss sich in eine Gebirgsarmee verwandeln - Zerstörungen als Druckmittel sind noch gar nicht möglich

Mittelland und Industrieanlagen werden Hitler für seinen Rassismus und für den Endsieg gegen den Kommunismus preisgegeben, und der schweizer Bevölkerung, den Alten, Frauen und Kindern,  wird der Zugang in die Alpen als Zuflucht verwehrt. Das Reduit aber besteht entgegen den Vorstellungen des Grossteils der Bevölkerung erst auf dem Papier. Der Beschluss zum Reduit, nicht die Wirklichkeit, war das Entscheidende (S.164).

[Also, aus den Alpen wurde nun eine "Alpenfestung" gemacht: Neben Bunkern (so genannte "Nestern" mit verdeckten Schiessscharten mit Flugabwehrgeschützen) wurden nun systematisch ganze Höhlensysteme in die Alpen getrieben, zum Beispiel die "Gotthardfestung", und ein separater Bunker für den Bundesrat, oder auch ein Tunnel von Ost nach West quer durch die Alpen etc.Interessierte suchen im Internet mit den Stichworten "Alpenfestung" und "Schweiz"].

Um die Bevölkerung nicht zu sehr zu verunsichern, wird die Armee nur schrittweise aus dem Mittelland abgezogen. Bis zum Herbst 1941 ist das Reduit keine sichere Burg. Kritiker wie Korpskommandant Labhart bemängeln den schleppenden Bezug des Reduits, die "Halbheit" der Aktion. Sie sei "belastet mit allen Fehlern einer solchen, sei eine Verzettelung der Kräfte" (S.170).[101]   Ausserdem verkörpert das Reduit grosse Unsicherheiten in der Organisation der Armee. Der Chef von Guisans persönlichem Stab, Bernard Barbey, beobachtet selbst schon gewisse Eigenständigkeiten von verschiedenen Talkommandanten und Konflikte um Ressourcen.[102]   Die Hauptschwierigkeit aber ist die Umstellung der Armee von einer Feldarmee zu einer Gebirgsarmee. Es fehlen dazu die spezifische Ausbildung wie auch die Logistik. Nicht nur diese Umstellung braucht Zeit (S.171).

Die Bautätigkeit für die "Festung Reduit" beginnt im Sommer 1940 (S.173), wobei alle Rohstoffe wie Kohle und Eisen aus dem Dritten Reich importiert werden müssen (S.182)[103]  . Präziser wird der Rechenschaftsbericht der kriegswirtschafltichen Behörden von 1950.

Rechenschaftsbericht:
<[...]   aus dem Achsenbereich bezogene Rohstoffe dazu verwendet wurde, die schweizerische Landesverteidigung auszubauen und zu verstärken - eine militärische Anstrengung, die bei aller Aufrechterhaltung der Neutralitätsprinzipien aufgrund der militärgeographischen Lage während der Jahre 1940 bis 1944 eindeutig gegen die Achse gerichtet war. [...]   Für die Errichtung unserer Befestigungen und ganz besonders für den Ausbau der sogenannten Kernzone waren wir auf Materialen angewiesen, die unser eigener Boden nicht produziert, nämlich Kohle - für die Herstellung von Zement -, auf Stahl, Eisen, Kupfer usw.>[104] 

Weitherum ist in der Schweiz die Rede, dass bei einem Hitler-Einmarsch alle Bauwerke, Brücken und vor allem die grossen Eisenbahntunnels gesprengt würden. In Wirklichkeit haben die Planungen für Sprengungen Mitte 1940 erst begonnen, und die Sprengladungen sind bis Mitte 1941 nicht komplett angebracht (S.172).[105] 


Schweizer Radio schweigt ab 22 Uhr zugunsten des Reichs - der Frontistenempfang beim Bundesrat - geplanter "militärischer Vorunterricht" - die Schweiz als Scharnier der Achsenmächte - Raubgutverkauf in der Schweiz

Ab September 1940: Im schweizer Radio ist ab 22 Uhr Sendeschluss - das hat der Bundesrat so beschlossen, um den englischen Flugzeugen die Orientierung in der Nacht zu erschweren (S.175).

Der Mittelwellen-Radiosender "Schweizer Radio Beromünster" war während des Zweiten Weltkriegs eine der wichtigsten Informationsquellen für ganz Europa, vor allem mit den Berichten von Jean Rudolf von Salis. Der Mittelwellensender blieb auch nach 1945 wichtig, weil in den Bergen die UKW-Sender zum Teil nicht gut empfangen werden konnten. Von der Strasse zwischen Luzern und Olten aus am Sempachersee entlang konnte man den Sendeturm am Abend jeweils gut sichbar blinken sehen [web05]. Im Zuge der Modernisierung mit UKW-Sendern wurde Radio Beromünster Ende 2008 ausser Betrieb genommen [web02]. Da der Sender Beromünster für die Schweiz eine grosse kulturelle Bedeutung hatte [während des Zweiten Weltkriegs, und nach dem Zweiten Weltkrieg gegen den Kommunismus, und generell für alle Alpentäler], wurde der Sendeturm im Jahre 2009 sogar unter Denkmalschutz gestellt [web04].

Radiosender Beromünster, Logo [5]
Radiosender Beromünster, Logo [5]
Der Sendeturm von Radio Beromünster in
                          Gunzwil, 215 m hoch [6]
Der Sendeturm von Radio Beromünster in Gunzwil, 215 m hoch [6]

Am 10.September 1940 empfängt Bundesrat Pilet-Golaz die führenden Frontistenführer Ernst Hofmann, Dr. Max Leo Keller und den Dichter Jakob Schaffner zu einer offiziellen Audienz. Presse und Parteien reagieren empört. Teilweise werden Rücktrittsforderungen gegen Golaz laut (S.211).

Gleichzeitig beginnt die Regierung, für Jugendliche zwischen 16-20 Jahren einen militärischen Vorunterricht zu planen [um auch die Jugend völlig unter Kontrolle zu bekommen]. Das Volk sammelt dagegen Unterschriften, um einen Volksentscheid zu erzwingen (S.201).

Im September etabliert sich das Wirtschaftsabkommen mit der Achse. Inoffiziell wird eine noch weitergehende Eingliederung der Schweiz ins "Neue Europa" geplant. Der Zürcher Rechtsanwalt Wilhelm Frick z.B. stellt die These von der Schweiz als "Scharnier der Achsenmächte" dar (S.82). Nach einer Reise durch das Dritte Reich hält er am 27. September 1940 an der Mitgliederversammlung des rechtsgerichteten "Volksbundes für die Unabhängigkeit der Schweiz" einen Vortrag "Deutschland und die Schweiz nach Reiseeindrücken aus jüngster Zeit", in dem er formuliert, welche Leistungen von der Schweiz erwartet würden:

1. Aufklärung über die Leistungen Deutschlands in der Schweiz
2. deutschfreundliche Zensur
3. Asylrecht nur für deutschfreundliche Personen, Verhindern deutschlandfeindlicher Tätigkeiten von Emigranten in der Schweiz
4. Neutralitätsdefinition nach den neuen Machtverhältnissen (S.83)
5. Einordnen in die Wirtschaft der Achse Berlin-Rom:[106] 

            a) gemeinsame Wirtschaftskommission
            b) Anpassung der schweizer Industrie an den Bedarf im deutschen Reich
            c) Bau von Elektrowerken und Lieferungen von elektrischem Strom nach Deutschland

            d) Transportkoordination
            e) Mitwirkung beim Studium einer "Europa-Währung" (S.84)

Von Herbst 1940 an bis 1945 wird die Schweiz von deutschen Händlern und Nazigrössen benutzt, Raubgüter in Devisen umzusetzen (S.135).[107]  

[und um jüdische Konten zu plündern...]

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Quellen

[94]  Kurz, Hans Rudolf: Guisan 1965, S.94

[95]  Böschenstein, Hermann: Vor unsern Augen 1978, S.283

[96]  in: Tages-Anzeiger, 11.4.1985

[97]  Meldung des "Büro Ha"; in: Jaggi, Arnold: Bedrohte Schweiz  1978, S.204

[98]  Roesch, Werner: Bedrohte Schweiz 1986, S.12,36

[99]  in: Waeger, Gerhart: Sündenböcke 1971, S.131

[100]  Scherr, Niklaus: Mit Wirtschaft und Armee verflochten. Wer waren und woher kamen die "Zweihundert"? In: Nationalzeitung (Basel) 19.12.1971; vgl. auch Nationalzeitung 24.12.1971

[101]  in: Wehrli: Vom zaghaften zum wehrhaften Reduit; In: Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 11.2.1987, S.35

[102]  Barbey, Bernard: Fünf Jahre 1948, S.191

[103]  Vogler, Robert U.: Wirtschaftsverhandlungen, S.89

[104]  in: Tanner, Jakob: Bundeshaushalt 1986, S.284

[105]  Roesch, Werner: Bedrohte Schweiz , S.57-58

[106]  Mitschrift des Nachrichtendienstes des Polizeikorps des Kantons Zürich; In: Zeitgeschichte im Würgegriff, Beilage 10, Seite 55ff.

[107]  Zeitgeschichte im Würgegriff 1988, S.32ff.

[web01] http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17341.php

[web02] http://www.broadcast.ch/projectdetails.aspx?id=49

[web03] http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/vichy/index.html

[web04] http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/medien/beromuenster_denkmalschutz_1.3892150.html

[web05] eigene Erfahrung Palomino

Fotoquellen

[1] Örlikon-Bührle, Logo: http://www.20min.ch/finance/news/story/10172280

[2] General Guisan, Postkarte: http://www.uov-einsiedeln.ch/222901/249301.html
[3] General Guisan auf dem Pferd, Postkarte: http://www.uov-einsiedeln.ch/222901/249301.html
[4] General Guisan, Portrait: http://www.uov-einsiedeln.ch/222901/249301.html

[5] Radiosender Beromünster, Schriftzug: http://www.broadcast.ch/projectdetails.aspx?id=49
[6] Radiosender Beromünster, der Sendeturm: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/medien/beromuenster_denkmalschutz_1.3892150.html

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