aus: Die Schweiz im Schatten
des Dritten Reiches; Diskussion mit Filmbeiträgen; Schweizer
Fernsehen 30. Juli 1997. Protokoll von Michael Palomino
Diskussion:
-- Gude Rahn,
ehemaliges Mitglied der schweizer Verhandlungsdelegation in
den "USA" 1946
-- John Trepp,
Historiker, der die Akten der Bank für internationalen
Zahlungsausgleich BIZ untersucht hat
-- Beat Balzli,
Historiker, Autor des Buches "Treuhänder des Reiches" über
die schweizer Bankgeschäfte mit dem 3.Reich mit "Verwertung"
jüdischer Wertpapiere und Kontoauflösungen
-- Paul Hasenfratz,
Präsident der Zürcher Kantonalbank ZKB, Vizepräsident der
Bankiervereinigung
Moderation: Peter Studer
und Martina Lichtsteiner.
Diskussion
Lichtsteiner:
Warum kommt die Diskussion genau jetzt Ende der 1990-er
Jahre auf die Schweiz zu?
Balzli:
1 Hauptgrund: Die Erben haben nicht mehr lange Zeit, werden
alt. Folge: Der Druck verstärkt sich.
Hasenfratz:
Weitere Gründe: Es war eine reaktive Verteidigungshaltung
der Schweiz gegenüber der Vergangenheit bis letztes Jahr
[1996], und: Öffnung neuer Archive, so kam neues Material
zum Vorschein.
Lichtsteiner:
Wieso kommt denn die Geschichte auf das Gold von damals?
Trepp:
Weil die Schweiz der wichtigste Goldhandelsplatz im
2.Weltkrieg war. Sie war die grösste Goldhändlerin der
damaligen Zeit.
Rahn:
Es spielt auch eine Rolle, dass heute der kalte Krieg
beendet ist. 1948 war Russland wieder Gegner der Westmächte
und diese bemühten sich, die Schweiz als
antibolschewistisches Land in das westliche System wieder
einzugliedern nach der Isolation 1944-1948.
Film: Beziehung Deutsche Reichsbank - Schweizer
Nationalbank
Die SNB kann 1939-1945 mit allen Zentralbanken der Welt ihre
Beziehungen halten, besonders herzlich aber sind die
Beziehungen zur Reichsbank. Goldlieferungen werden im
Normalfall als wirtschaftliche Transaktion begründet. Für
die Reichsbank aber gilt dieser Grundsatz nicht. Sie
darf immer Gold gegen Devisen eintauschen, wann und wie sie
will, ohne Rücksicht auf den Handel.
[Clearingvorschuss nicht erwähnt].
Die SNB wird so zur Verbündeten des 3.Reiches [Gegentausch
nicht erwähnt].
Hitler musste für seine Kriegsführung Güter von aussen
kaufen: Chrom, Wolfram, Mangan. Aus der Schweiz: Aluminium,
Präzisionsinstrumente und Uhren. All diese Güter bekam das
3.Reich nur gegen Devisen [und deswegen erfolgten die
Goldlieferungen in das einzige Land, das noch Gold von
Hitler annahm: die Schweiz].
Die Goldreserven der Reichsbank: 100 Mio. RM waren
ausgewiesen, geschätzt wurden 800 Mio. RM. Bis 1943 wurde
Gold im Wert von 600 Mio. aus dem Reich in die Schweiz
geliefert. Zum Schluss hatte Deutschland für 1,7 [1,2?]
Milliarden RM Gold in die Schweiz geliefert. Woher kam denn
die Differenz?
Zum Teil wurden die Devisen auf vorgeschobene Konten
gutgeschrieben, z.B. auf das Konto von Max Heiliger. Dass
KZ-Gold in den Barren war, ist möglich, aber wenig
wahrscheinlich. KZ-Gold ist in einer Biographie von Höss
erwähnt [eventuell gefälscht, wie von Höss sehr viele ihm
zugeschriebene Berichte "existieren"].
Belgisches Gold wurde von der Reichsbank eingeschmolzen, neu
gegossen und mit der Jahreszahl 1935 versehen.
Höhepunkt der Goldlieferungen war 1942. Die Alliierten
warnten die Schweiz 1942 schon vor der Annahme deutschen
Goldes, das eventuell geraubt ist.
Diskussion
Ernst Weber, Generaldirektor der Schweizerischen
Nationalbank, behauptet nach dem Krieg, er sei sicher, man
könne nicht ermitteln, von wo das Gold gekommen sei, und: Er
hätte nicht die "leiseste Ahnung" gehabt.
Walter Funk, der Präsident der Reichsbank
nach 1945: Die Schweiz war der einzige Ort, wo der Umtausch
gegen Devisen für die Reichsbank noch möglich war.
Hirs, einer der Generaldirektoren der
Schweizerischen Nationalbank SNB, gibt 1946 zu, dass er
gewusst hat, dass ein grosser Teil der deutschen
Goldlieferungen Raubgold gewesen seien.
Film: Verhandlungen schweizerischer
Bankenvertreter in den "USA" 1946
Verhandlungen 1946 in den "USA" über die Raubgoldbestände
der SNB in der Schweiz: Die Alliierten-Vertreter hatten es
nicht leicht, die Identität des Goldes festzustellen. Ernst Nobs, SP-Bundesrat, sagt, die SNB habe
mit der Goldannahme 50 Mio. Franken Gewinn gemacht, und die
Marge scheint für ihn der Hauptgrund des Raubgoldgeschäfts
gewesen zu sein: niedriger Preis für das Reich, die auf den
Verkauf angewiesen waren, später hoher Preis für die
Alliierten. Zudem: Die SNB stützte sich auf das
Neutralitätsargument: Sie sei neutral und müsse somit von
den Alliierten und von den Achsenmächten
Geld annehmen.
Funk 1943: Deutschland könne ohne die Schweiz als
"Wechselstube" keine 2 Monate mehr auskommen.
Diskussion
Trepp:
Gold wird im Krieg immer Zahlungsmittel, da alle Währungen
unsicher sind.
Lichtsteiner:
Warum denn war der Schweizer Franken attraktiver als die
schwedische Krone? Schweden war doch auch ein neutrales
Land.
Trepp:
Der Bundesrat hat für die Schweiz im Kontakt mit allen
Kunden bis 1942 auf Devisenkontrollen verzichtet, als
einziger Staat in ganz Europa. Schweden hatte
Devisenkontrollen eingeführt und war somit für Hitler
weniger attraktiv.
Studer:
War denn die Schweiz erpicht auf diese Freiheit?
Hasenfratz:
Die Schweiz brauchte nicht nur das Gold, sie wollte mit
anderen handeln. Dieser Handel galt auch als
Friedenssicherung, und man hatte in den 1930-er Jahren schon
eine Abwertung des Frankens erlebt. So wollte man die
Goldreserven wieder erhöhen und die Golddeckung im Krieg
wenigstens beibehalten.
Trepp:
Da muss ich Ihnen eindeutig widersprechen. Das Gewinnmotiv
ist in meinen Augen eindeutig wichtiger. Der Preis in der
Schweiz war niedriger als der Londoner Preis. die SNB hat
etwas verdienen wollen, bis dann das Clearing-Abkommen kam,
und mit London konnte man während des Krieges nur über die
Clearingstelle Handel treiben. Der Gewinn konnte nach dem
Krieg eingefahren werden.
Der Bundesrat hat bis 1942 keine Kontrollen über den
Goldhandel verfügt. Gold war also frei handelbar, nicht nur
für die Banken. Es hat sich während des Krieges auch ein
riesiger privater Goldhandel entwickelt.
Studer:
Zu wem flossen denn die Goldlieferungen?
Trepp:
Hauptsächlich in den Tresor der SNB in Bern.
Hasenfratz:
Die SNB führte noch verschiedene Konti anderer
Nationalbanken, und so ergaben sich dann die
Dreiecksgeschäfte während des Krieges, wo die Schweiz als
Vermittlerin z.B. zwischen Deutschland und Portugal auftrat.
Die Rolle der Privatbanken ist noch nicht erforscht.
Trepp:
über die Rolle der Privatbanken von vor 1942 hat man bis
heute keine Ahnung. Ab Dezember 1942 musste dann jeder
Goldhandel mit dem Lizenzsystem geregelt werden, was auch
meist bewilligt wurde.
Balzli:
Alle Einfuhren wurden bewilligt. Es wurden nur bei der
Schweizerischen Kreditanstalt SKA, als man Zweifel hatte,
noch ergänzende Informationen verlangt, und dann hat die SNB
trotz Kritik immer bewilligt.
Hasenfratz:
Über den privaten Verkehr wissen wir bis heute nicht sehr
viel. Die ZKB hat von der SNB Goldmünzen gekauft und hat
diese an private Käufer weiterverkauft.
Lichtsteiner:
Wie viel Prozent vom gehandelten Gold der SNB ist denn
geraubtes Gold?
Trepp:
Das ist noch nicht genau ermittelt. Die Summe ist noch
ausstehend. Das belgische Gold ist genau festgestellt mit
380 Mio. Franken, heute ein Wert von 3,8 Milliarden Franken.
Das Raubgold der Niederlande und Italiens ist noch nicht
genau festgestellt.
Lichtsteiner:
Ist denn nun Totengold in den Barren drin?
Balzli:
Sicher wissen wir das noch nicht. Wir nehmen bis heute an,
dass Totengold in den Barren vorhanden ist.
Studer:
Deutschland täuschte mit der falschen Prägung von 1935. Was
konnte man denn davon wissen?
Hasenfratz:
Die SNB musste sich dessen bewusst werden wegen der Menge,
dass da etwas nicht stimmt. Das ist ja offensichtlich. Was
das Totengold betrifft, so sagt uns der Eizenstadt-Bericht,
es seien 27 kg verwendet worden.
Rahn:
Eizenstadt sagte aber auch, dass man davon
nicht wissen konnte.
Balzli:
Die SNB hat alles gewusst. Das kann man an der Tatsache
ableiten, dass sie schon 1941 einen ersten Umschmelzplan für
ihr gesamtes Gold vorhatte. Der Plan wurde 1942
konkretisiert mit geplanten Kosten von 60'000 Franken.
Realisiert wurde er dann nach dem Krieg.
Trepp:
Totengold wurde
nicht nur in der SS-Schmelzanlage verarbeitet, sondern auch
in den beiden privaten deutschen Schmelzunternehmen Degussa und Norddeutsche
Raffinerie. Diese Barren wurden dann weiter an Private
weiterverkauft.
Die Goldkäufe bei den Alliierten waren gesperrt. Also konnte
man an der Börse von New
York und London sich
das Gold auf die dortigen Guthaben gutschreiben lassen, die
aber für den Kapitalverkehr mit der Schweiz gesperrt waren.
Aus diesem Grund brauchte man auch Gold aus Deutschland für
die Schweiz selbst.
Lichtsteiner:
Sehen wir nun, wie die Verhandlungen nach dem Krieg
aussahen.
Film: Verhandlungen über Raubgold in der Schweiz
in den "USA" 1946
Am 8. Mai 1945 sind die Kriegshandlungen in Europa offiziell
beendet. Jubel, grosse Freude in der Schweiz. Die
Beziehungen zu den Alliierten jedoch sind getrübt wegen
belgischem Raubgold, und weil die schweizer Guthaben in den
"USA" blockiert sind. Die "USA" behauptet, die Schweiz solle
500 Mio. Franken bezahlen, was der schweizer Politik
inakzeptabel erscheint. So begibt sich die "hochkarätigste"
schweizer Delegation, die es je gegeben hat, in die "USA" an
die Verhandlungen: [neu], sowie Chefbeamte und
Diplomaten. Die Aufgabe: den Beweis erbringen, dass die SNB
beim Kauf von Raubgold "gutgläubig" war.
In der Schweiz werden die Verhandlungen heftig diskutiert.
Hirs wird der Vorwurf gemacht, er habe durch eine
Unachtsamkeit die Schweiz verraten.
Das Resultat der Verhandlungen: Die Schweiz muss 250 Mio.
Franken bezahlen. Gegen Hirs wird ein Disziplinarverfahren
angestrengt. Im Parlament muss der Betrag auch verabschiedet
werden. Delegationsleiter Stucki schreibt einen "Bericht",
der die Argumente liefern muss, dem Kompromiss zuzustimmen.
Die Argumente:
-- es wäre sonst zu einem Prozess um das belgische Gold
gekommen
-- die Alliierten hätten die schweizer Guthaben weiter
blockiert
-- der "gute Namen" der Schweiz sei dadurch leicht
demolierbar gewesen.
Bundesrat Nobs stimmt dem Kompromiss zu. Das Parlament
verabschiedet den Kompromiss aus Pragmatik, nicht aus
Schuldbewusstsein.
Besprechung des Films: Nazigelder für ein 4. Reich in
der Schweiz [und Südamerika]
Lichtsteiner:
Warum wurde die schweizer Delegation in den "USA" so kalt
empfangen?
Rahn:
Der Empfang war nicht herzlich wegen des Vorwurfs der
Kollaboration. Es waren zwei Wochen Verhandlungen geplant,
und sie haben 2 1/2 Monate gedauert. In der Mitte wäre es
fast zu einem Bruch gekommen. Man konnte sich über das Gold
nicht einigen. Die "USA" waren am kritischsten, weil sie die
Neutralität nicht verstanden haben. Frankreich und England
haben die Neutralität schon eher verstanden. Am Schluss aber
haben die Amerikaner dann doch unterzeichnet.
Lichtsteiner:
War denn Herr Hirs dafür verantwortlich, dass die
Verhandlungen fast gescheitert wären?
Rahn:
Hirs hat nie klar gesprochen. Die ganze Delegation hat nie
klar gesprochen. Von holländischem Gold wurde nie
gesprochen, nur von belgischem Gold.
Studer.
Zuerst forderten die "USA" 500 Millionen, schliesslich
wurden 250 bezahlt. Wie war das möglich?
Rahn:
Wir haben nie gesagt, dass wir bezahlen müssen. Wir zahlten,
weil die Alliierten das so wollten. Dafür hatten wir die
Zusicherung der Alliierten, dass in Zukunft nie mehr über
Gold der Schweiz etwas verlangt werde.
Studer:
Wieso haben denn die Amerikaner ihre Forderung reduziert und
nachgegeben?
Trepp:
Da muss man auch die "USA" innenpolitisch betrachten. Roosevelt hatte den jüdischen Finanzminister
Henry Morgenthau, dieser musste unter dem
neuen Präsidenten Truman im Juli 1945
zurücktreten. Truman wollte ihn nicht mehr
[es existiert auch die Version, dass Morgenthau aus Protest
zum Wiederaufbau der Industrie in Deutschland zurückgetreten
sei].
Morgenthau hatte klare Forderungen an die Schweiz als
Kollaborateurin. Der neue Finanzminister aber hatte eine
etwas andere Perspektive, denn die Amerikaner hatten selbst
auch Geschäfte mit den Nazis an der Wall Street
Börse gemacht und die Welt ging auf den kalten Krieg zu
[der nicht "kalt" war, schon Mitte 1945 nicht, z.B. in Asien
mit Vietnam und französischen Truppen etc.].
Studer:
spielten denn England und Frankreich an den Verhandlungen
überhaupt eine Rolle?
Rahn:
Sie haben die "USA" unterstützt, aber die "USA" war immer in
der ersten Linie.
Trepp:
Man muss das klar sehen: Die Schweiz hat damals den grossen
Fehler gemacht, dass sie ihre Fehler nicht eingestanden hat,
die sie während des 2. Weltkriegs begangen hat. Es gab kein
Eingeständnis.
Balzli:
Also, die Delegation hat mit einer Salamitaktik verhandelt,
angefangen mit 100 Millionen, und dann eine langsame
Steigerung des Betrags.
Rahn:
Also, die SNB wusste vom geraubten Gold, aber wir wollten so
wenig wie möglich zahlen.
Trepp:
Schon 1943 verlangten die Alliierten die Rückgabe des
Raubgoldes.
Rahn:
Rechtlich kann man es anders sehen, denn die Neutralität
setzt Handel mit allen Partnern voraus. 1946 sind wir zu
juristisch gewesen, und heute sind wir nicht juristisch
genug.
Lichtsteiner:
Sollen denn neue Verhandlungen über das Abkommen aufgenommen
werden?
Rahn:
Ich glaube nicht, dass es zu neuen Verhandlungen darüber
kommen wird. Einer der Delegierten der US-Delegation, Rubin,
war ein guter Freund von mir, und es waren ja nicht nur die
"USA", Frankreich und GB an den Verhandlungen beteiligt.
Diese drei haben ja auch für 13 andere Nationen
stellvertretend verhandelt.
Hasenfratz:
Also, der Vertrag ist Geschichte, und da kann eigentlich
kaum etwas daran mehr verändert werden nach 50 Jahren, aber
es kann ja durchaus zu neuen Abkommen und Verträgen kommen.
Trepp:
Eizenstadt äussert sich in dieser Beziehung etwas
sibyllinisch, aber es wäre absurd, über einen 50 Jahre alten
Vertrag neu zu verhandeln. Der Bundesrat soll eher
nachholen, was er 1945 verpasst hat. Der Bundesrat soll es
nachholen, als politische Geste.
Rahn:
Ich glaube nicht, dass es wahrscheinlich ist, dass da noch
etwas geschieht.
Studer:
Jetzt ist ja eine neue Goldkonferenz einberufen für nächsten
Herbst von den "USA" und GB. Meinen Sie, dass die Schweiz da
noch einmal drankommt?
Trepp:
Ja, das ist durchaus möglich, aber es stehen dort auch
andere grosse Probleme an, denn es gab in Sachen Gold nach
dem Weltkrieg wirklich keine Schlussregelung. Auch die "USA"
haben Gold behalten. Man hat noch 5,5 Tonnen in New York
gefunden. Es ist auch möglich, dass also die "USA"
drankommt.
Lichtsteiner:
Was war denn das Hauptziel der Verhandlungen von 1946?
Rahn:
Das Hauptziel der Amerikaner war, die deutschen Vermögen in
der Schweiz zu blockieren.
Lichtsteiner:
Warum wurde denn alles mit solch einer negativen Einstellung
angegangen?
Hasenfratz:
Die ganze Einstellung, was die Konten betraf, war unheimlich
negativ. Es kam ja auch erst 1952 zu einem Abschluss. Die
Banken verschanzten sich hinter ihrem Bankgeheimnis.
Balzli:
Die Banken sperrten sich total, und die Forderung der
Amerikaner war natürlich auch sehr happig: Sie stellten an
ein fremdes, neutrales Land die Forderung, Gelder eines
dritten Landes zu blockieren, und das war für die Banken
rechtlich nicht einsehbar.
Rahn:
Man konnte aber auch die Gelder deswegen nicht aushändigen,
weil man nie einen Wechselkurs zwischen Franken und
Reichsmark gefunden hat. Es gab keinen Wechselkurs mehr.
Studer.
Das sind ja alles rechtliche Frage. Es gab ja auch Vermögen
von "normalen" Deutschen noch von vor dem Krieg, die in der
Schweiz angelegt waren, und die Delegation wollte nicht,
dass auch diese Vermögen miteinbezogen wurden.
Rahn:
Wichtig ist einfach, dass die Forderung war, in Reichsmark
auszubezahlen. Bis 1948 war aber keine Währung in
Deutschland, es gab keinen Kurs!
Trepp:
Die Schweiz hat das deutsche Vermögen in der Schweiz
geschützt. Die Kursfrage selbst war nur ein Spielen auf
Zeit. 1952 wurden die Konten dann eben auch an alle alten
Nazis ausbezahlt. Das Rettungsboot für die Deutschen war
eben auch in der Niederlage die Schweiz gewesen.
Rahn:
Das waren aber nicht viele Konten, denn da waren
Untersuchungen in Bern im politischen Departement. Die "USA"
sagten immer, die Nazis hätten viel Geld in die Schweiz
verlagert, aber man hat nur sehr wenig gefunden [weil
1944-1945 ein beträchtlicher Teil nach Südamerika
abgeflossen war, mit Hilfe von schweizer Diplomaten].
Balzli:
Es sind immense Nazi-Vermögen in der Schweiz angelegt
worden, in Tarngesellschaften und Briefkastenfirmen. Das
meiste war so getarnt, dass es auf den ersten Blick absolut
nicht auffindbar war.
Rahn:
Aber ist denn das wichtig?
Balzli:
Sicher ist das wichtig.
Rahn:
Sind es denn Hunderte von Millionen?
Trepp:
Da geht es nicht nur ums Geld hier. Es ist auch die Geste,
die zählt.
Balzli:
Es ist ein signifikantes Vermögen, das da verborgen wurde
[v.a. in Südamerika].
Studer:
Die "USA" haben für das Aufspüren von Geldern in der Schweiz
ein ganzes Programm gewidmet, das "Safe-Haven-Programm".
Rahn:
Ich glaube, das ist nicht wichtig.
Balzli:
Es waren Gelder, die dafür verwahrt wurden, ein
eventuelles 4. Reich neu zu gründen, und deswegen ist
es eigentlich sehr wichtig.
Hasenfratz:
Man hätte auch gerade alles beschlagnahmen können. Dann wäre
es auch nicht nichts gewesen, aber als neutrales Land war
das absolut unmöglich.
Studer:
Und die nachrichtenlosen Konten wurden bei den ganzen
Verhandlungen nur am Rande behandelt. Von denen handelt
unser nächster Film:;
Film: Die "nachrichtenlosen" Konten
Ed Fagan, Anwalt meint: Es geht nicht nur um Geld. Es
geht um Menschen, um 10'000de Menschen. Seine Anwaltspraxis
in New York, 12'000 Klienten. Anstreben einer Vereinbarung
oder ein Urteil gegen die schweizer Banken. Die Schweiz soll
verpflichtet werden, den Vermögen die nötige Beachtung zu
schenken. Die schweizer Bankiers sind absolut dagegen. Die
Volker-Kommission hat alle Vollmachten gegen die schweizer
Rechtsanwälte, Treuhänder und Versicherungen.
Die Versicherungen warben in Deutschland um jüdisch Kunden
mit der Angabe, ihre Policen seien bei einer schweizer
Versicherung sicher untergebracht. Die schweizer
Versicherungen hatten Filialen in Deutschland, um weiter
auch nach der Reichsgründung in Deutschland Geschäfte
tätigen zu können. Hitler erliess nach der
Reichskristallnacht 1938 eine Bestimmung, wie die Schäden
der Reichskristallnacht zu bezahlen seien: Die Juden sollten
für die Schäden aufkommen, die die Nazis an den Gebäuden und
Geschäften selbst angerichtet hatten. Darunter fallen auch
die Versicherungspolicen von Juden bei Filialen von
schweizer Versicherungen. Folge: Die schweizer
Versicherungen zahlen die Policen an Hitler aus, z.T., ohne
die jüdischen Inhaber vorher zu informieren.
Besprechung des Films: Vollmachten, Strohmänner und
Kontenraub nach 1945
Hasenfratz:
Also, ich kann nur für die ZKB sprechen. Wir haben Konten im
Wert von 1,5 Millionen Franken gefunden, und insgesamt sind
es 169 Kunden.
Lichtsteiner:
Aber wissen Sie das schon länger oder haben Sie diese erst
jetzt gefunden?
Hasenfratz:
Die meisten kannten wir schon, und beim Bankverein und auch
bei den anderen Grossbanken war es ein Informatikproblem,
denn die Akten sind in die Informatik aufgenommen worden,
und statt dem tatsächlichen Eröffnungsdatum bei den Konten
ist dort das Datum des Übertrags in der Informatik
angegeben, so dass wir am Anfang wirklich gesagt haben, es
gäbe keine solchen Konten mehr.
Studer:
Haben Sie denn eine Ahnung, wie viele Holocaust-Opfer nun
darunter sind?
Hasenfratz:
Wir haben keinen J-Stempel bei den Banken geführt. Die
Konten sind also von aussen gar nicht als jüdisch zu
erkennen, und die Juden hatten damals noch keinen Staat. Wir
haben viele Deutsche unter den Konten, aber die Hauptträger
kommen v.a. aus Österreich und Russland. Zu den zwei
Nazi-Grössen ist zu sagen: Bei einem sind noch 5 Franken
drauf, das ist ein Restposten einer Verrechnung, die andere
Dame scheint nach Abklärungen nicht die zu sein, als die man
sie vermutet hat.
Lichtsteiner:
Also, es wurden nun 61 Millionen Franken gemeldet. Wie gross
ist denn der Holocaust-Anteil?
Balzli:
Es hat 1962 eine erste Auszahlung stattgefunden, aber eine
Aussortierung war damals nicht möglich.
Studer:
Die Wertzahlen haben sich aber immer erhöht. Wieso?
Hasenfratz:
Das ist so, weil die Definition der gesuchten Konten immer
wieder anders war. 1947 wurden Konten gesucht von Leuten,
von denen man wusste, dass sie Opfer sind und keine Erben
haben. Man hat Leute geschickt. Zum Teil waren die Zustände
in Europa aber auch so unübersichtlich noch, dass gar keine
Kontaktaufnahme möglich war.
Balzli:
Die Banken wollten aber auch nicht finden. Sie wollten den
Betrag klein halten, um damit zu bestätigen, dass das gar
kein Thema sein könne, und dien Gesetz des Bundesrates haben
sie abgeschmettert
[mit Hilfe des banken- und nazi-freundlichen Bundesrichters
Leuch, der vorher Präsident der Zürcher
Börse war].
1962 wurde die Suche dann wieder anders definiert als
mutmassliche Opfer rassistischer und religiöser Verfolgung,
was speziell auf die Juden zugeschnitten war. Man hat nach
jüdischen Namen gesucht, aber die Verschleierungsfirmen und
Strohmänner hat man ausgelassen. Jetzt 1997 melden wir
einfach restlos alles, und dann kommen auch alle
Strohmannkonstruktionen an den Tag.
Lichtsteiner:
1975 wurden dann 10 Millionen ausbezahlt.
Studer:
Es gibt natürlich immer eine gewisse Grauzone von Bankiers,
die das übriggebliebene Geld einfach vom Konto abgehoben
haben.
Hasenfratz:
Das war möglich. Der Treuhänder hat es bezogen durch seine
Vollmacht, und dann ist jede Spur des Kontos verwischt und
nicht mehr feststellbar.
Balzli:
Das ist ein riesiges Problem. Man konnte nie nach den
Vollmachten suchen, weil kein zentrales Vollmachtenregister
existierte. Die Vollmachten müssten zentralisiert werden.
Hasenfratz:
Bei den bestehenden Konten ist es absolut kontrollierbar,
wer die Vollmacht hat. Aber bei den bezogenen Konten ist
kein Weg mehr verfolgbar, ausser rein zufällig, bei Verdacht
vielleicht.
Balzli:
Der Strohmann war meist unbekannt, z.T. auch der jeweiligen
Familie nicht bekannt, einfach aus Sicherheitsgründen. Und
so kamen die Juden nach dem Krieg, und keiner konnte ihre
Konten finden, weil die Strohmänner nicht bekannt waren.
Studer:
Wie läuft denn das jetzt mit den Gesuchen?
Hasenfratz:
Es können über die ATAG Treuhand Gesuche
gestellt werden. Diese werden gesammelt und in einer
Dokumentation an die SNB geschickt, dann an die
Volker-Kommission geschickt zur Prüfung der Übereinstimmung
und schlussendlich an die Bank gesandt.
Lichtsteiner:
Und wieso war das nicht früher möglich?
Hasenfratz:
Wie gesagt, wir sind zu formaljuristisch in der
Vergangenheit mit unseren Kunden umgegangen. Also, einen
Stammbaum erwarten wir schon, sonst kann ja jeder sagen:
Meine Cousine hat... und mein Cousin hat. Aber gewisse
Risiken werden natürlich immer übrigbleiben.
Studer:
Hat denn nun ein Umdenken stattgefunden bei den Banken?
Hasenfratz:
Ja. Dieses Umdenken hat stattgefunden.
Studer:
Im Oktober werden nun 20'000 weitere Namen von Schweizern
publiziert.
Balzli:
Also, die 12'000 auf der jetzigen Liste sind die
ausländischen Konti, die 20'000, die folgen werden, wobei
das auch nur eine Schätzung ist, sind die schweizer Inhaber
von Konti, wobei das für manche wieder eine Enttäuschung
sein wird, aber da kommen dann alle die
Strohmannkonstruktionen heraus.
Studer:
Nur diejenigen Profiteure, die da Geld mit der Vollmacht in
den eigenen Sack gesteckt haben, werden dabei nicht mehr
erfasst, denn dieses Konti sind gelöscht.
Film: Ein Fall eines Versicherungsnehmers - die
Police wird 1945 nicht ausbezahlt
Eine schweizer Versicherung wirbt um jüdische Kunden. Nach
der Reichskristallnacht werden die Praktiken der
Versicherung "angepasst". Das jüdische Vermögen der Police
wird dem Reich ausgehändigt. Nach dem Krieg kommen Juden und
erheben Anspruch, aber sie bekommen nichts.
Fall: Julius Nussbaum
hatte 1938 eine Police bei der Basler. Die Basler zahlt nach
der Reichskristallnacht den Wert der Police dem Reich aus.
Julius kommt 1945 und will die Auszahlung der Police. Die
Versicherung gibt nichts. Die Versicherung behauptet, sie
habe nach damaligem Deutschen Recht gehandelt. Bei
einem zweiten Schreiben behauptet die Bank gegenüber
Nussbaum, er wolle sich auf Kosten der Schweiz bereichern.
Dies ist kein Einzelfall. Ebensolche Fälle liegen der
Rentenanstalt vor.
Diskussion
Lichtsteiner:
Auch andere ausländische Versicherungen haben dieses
Problem, z.B. die italienische "Generali".
Balzli:
Die Versicherungen hatten eigene Vertretungen in
Deutschland. Die Banken dagegen hatten keine Vertretungen.
somit gab es solche Fälle bei den Banken nicht. Die
Versicherungen wollten sich mit der Anpassung nicht das
Geschäft vermiesen mit den Deutschen, und es gab eine
Verordnung, nach der Juden im Ausland ihr Vermögen in
Deutschland verlieren, und da auch Polen mit seinen KZs
[und Weissrussland, und die Ukraine, und die Baltenstaaten
mit ihren KZs und Stätten der Massenerschiessung]
als Ausland galt, gab es viele solche Fälle, wo das Vermögen
einkassiert wurde bzw. die Versicherungen die Policen den
Nazis auszahlen mussten. Aber es wäre ein Spielraum
dagewesen, diese Auszahlungen zu verhindern. So sind auch
noch zu später Zeit des Krieges die Policen ausbezahlt
worden, auch noch Ende 1944, als der Krieg wirklich schon
verloren war.
Dann gab es zwei Arten von Policen: mit einem Auszahlungsort
nur in Deutschland, oder mit zwei Auszahlungsorten als
Sicherheit, also in Deutschland und zum Beispiel noch in
Basel. Aber auch diese Sicherheit hat nichts genützt.
Hasenfratz:
Die Töchter der Versicherungen waren deutschem Recht
unterstellt. 1957 hat der deutsche Staat diese
Versicherungsnehmer entschädigt im Verhältnis 1:10. Somit
ist die Schweiz in dieser Sache nicht sehr im Schussfeld.
Bei der Ombudsstelle der Versicherungen sind denn auch nur
40 Anfragen eingegangen, gegenüber 5000 bei den Banken.
Studer:
Aber es wurden auch jüdische Vermögen in der Schweiz an die
Nazis ausbezahlt, und es gab auch bei der ZKB Leute, die für
das deutsche Reich gearbeitet haben, die dann entlassen
wurden. Es wurden den Juden z.T. Vollmachten abgepresst, und
die Besitzer der Vollmacht haben dann in der Schweiz das
jüdische Konto abgeräumt. Meist waren das die "zwei Herren
in Schwarz" [SS-Männer im schwarzen Mantel], und gewisse
Bankiers haben immer ausbezahlt. Nur wenige haben
verweigert.
Hasenfratz:
Ja, wir hatten ein oder zwei "Maulwürfe" bei uns, die von
den Deutschen bezahlt und eingeschleust waren. Wir haben das
zur Kenntnis genommen, die Polizei informiert und dann 6-8
Monate gebraucht, um herauszufinden, wer es war. Der zweite
Fall bezog sich auf ein Schrankfach, wo zwei Herren in
Schwarz mit einer erpressten Vollmacht die Räumung
verlangten.
Balzli:
Aber gerade bei diesem Schrankfach war eine Warnung aus Bern
da.
Lichtsteiner:
Also, die Rückerstattung ist jetzt am Laufen. Aber was
geschieht denn nun mit den unrechtmässig ausbezahlten
Geldern?
Studer:
Hat denn da die SNB nicht ihre Sorgfaltspflicht verletzt?
Balzli:
Also, es ist klar, dass eine erpresst Vollmacht ungültig
ist. Da sind auch Bundesgerichtsentscheide da.
Hasenfratz:
Es muss bezahlt werden, wenn es illegal ist.
Studer:
Jetzt ist in New York eine Sammelklage hängig. Wie ist denn
dort der Stand?
Hasenfratz:
Das Hearing ist morgen. Es werden die Seiten angehört, aber
noch keine Entscheide gefällt. Innerhalb des Verfahrens sind
die ersten entscheide in ca. 6 Monaten zu erwarten, und zwar
ist der erste Entscheid der, ob die Klage als Sammelklage
als solche akzeptiert wird, oder ob die drei verschiedenen
Klägergruppen getrennt klagen müssen.
Studer:
Wie wird denn die Schweiz im besten Fall dastehen?
Rahn:
Die Nachrichtenlosen Vermögen müssen bis auf den letzten
Pfennig zurückbezahlt werden, und wenn unmöglich, dann an
wohltätige Institutionen. Wir waren natürlich viel zu
langsam. Die Banken haben überhaupt nichts verstanden von
dem Gewicht des Problems. Im besten Fall können wir uns mit
den Amerikanern und den jüdischen Organisationen
verständigen, so dass es kein Abkommen gibt, sondern eine
Verständigung.
Trepp:
Es ist auch eine Frage der Identität. Die Schweiz gilt nun
wirklich als Land der Hehler und Banken Hitlers, und es ist
keine Imagekorrektur mehr möglich. Die innenpolitische
Auseinandersetzung kommt erst noch.
Hasenfratz:
Ich sehe das Ganze nicht so dramatisch. Was wichtig ist,
ist, was mit der Solidaritätsstiftung passiert. Wenn diese
abgelehnt wird, dann ist der Ruf natürlich noch einmal
verschlechtert. Wenn alles mit Anstand über die Bühne geht,
dann wird in der heutigen kurzlebigen Zeit schnell eine
andere Schlagzeile kommen. Ich sehe das Ganze wirklich nicht
so pessimistisch. Allenfalls könnte es ein paar Kunden
geben, die am Bankgeheimnis zu zweifeln beginnen, und so
könnten wir ein paar Kunden verlieren.