Buchhinweis
Roman Rossfeld, Thomas Buomberger; Patrick Kury: «14/18: Die Schweiz und der Grosse Krieg», Baden 2014
Das Geschäft mit der Munition blühte in Genf, im Jurabogen, in der Ostschweiz aber auch in Städten wie Basel und Zürich. Munitionsbestandteile aus der Schweiz gingen als «abgedrehte Kupferware» oder als «Messingstücke» über die Grenzen. Harmlose Bezeichnungen für Kriegsmaterial. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs war vielen offenbar nicht klar, ob das, was sie tun, auch legal ist.
Der Bundesrat erliess 1914 ein Verbot für Waffenexporte. Nicht ausdrücklich verboten war aber der Export von Munitionsbestandteilen. Eine Gesetzeslücke, die genutzt wurde. Völkerrechtlich war es zudem privaten Unternehmen erlaubt, Kriegsmaterial zu liefern. Die Privatwirtschaft fand die Geldquelle schnell. Es war die Stunde der Uhrenindustrie, denn sie besass die Feinmechanik, um Zeitzünder für Artilleriegeschosse herzustellen.
Auch die Metall- und Maschinenindustrie fand neue Geschäftsfelder und stellte Fräs- und Bohrmaschinen her, mit denen im Ausland Munition produziert werden konnte.
Das Geschäft mit der Munition wird zum Boom
Der Erste Weltkrieg war grausam und verschlang so viel Munition, dass bald an allen Fronten ein Munitionsmangel herrschte. Das Geschäft mit der Munition fing an, richtig zu boomen. «Es schaffte zu Spitzenzeiten wie 1917 30'000 bis 50'000 Arbeitsplätze. Das ist rund ein Drittel aller Arbeitsplätze, die es in der Uhren-, Metall- und Maschinenindustrie gab», sagt Historiker Roman Rossfeld.
Es wurden Millionen von Zeitzündern während der gesamten Kriegsdauer exportiert. Rund 850 Millionen Franken Gewinn soll das Geschäft über die Jahre eingespielt haben. «Das wäre heute ein Milliardengeschäft», so Rossfeld.
Munitionsexporte sicherten Arbeitsplätze
Der Bundesrat hatte längst eine liberalere Richtung eingeschlagen, was den Export von Kriegsmaterial anging. Das Geschäft wurde toleriert. Auch wenn die Kritik daran mit der zunehmenden sozialen Not in der Schweiz immer lauter wurde. Die Schweizer Munitionsexporte seien «kriegsverlängernd», war das Argument.
Doch der Bundesrat lehnte es ab, darüber zu debattieren. «Für den Bundesrat war die Sicherung der Arbeitsplätze wichtiger als eine Diskussion darüber, ob Munitionsexporte zur humanitären Schweiz passen», sagt Historiker Roman Rossfeld. Der Bundesrat wurde darin von links bis rechts unterstützt.
Zumindest aus heutiger Sicht schien auch die Neutralität in Schieflage geraten zu sein. «Immerhin gingen 90 Prozent aller Exporte an die Alliierten wie Frankreich und England», so Rossfeld.
Die offizielle Schweiz stellte sich damals auf den Standpunkt, dass weder die politische noch die militärische Neutralität angetastet seien. Es sei das Geschäft der Privatwirtschaft.
Die Rohstoffe, die es brauchte, um Munitionsbestandteile herzustellen, kamen zum grössten Teil von den Alliierten. Das machte der Bundesrat geltend. Die Alliierten kontrollierten die Schweizer Unternehmen sehr genau, was mit ihren Rohstoffen passierte – Kupfer, Nickel und Stahl. Und wohin die Munitionsbestandteile ausgeliefert wurden.
So sehr das Geschäft boomte, so schnell brach zusammen mit Ende des Kriegs. Es gibt nicht viele Text- oder Bildquellen zu diesem Millionengeschäft mit der Munition. Lange lag das Thema brach und wurde nicht aufgearbeitet. «Möglicherweise», so Rossfeld, «ein Hinweis darauf, dass nicht gerne darüber gesprochen wurde.»>